Bon Iver – SABLE, fABLE

von am 20. Juni 2025 in Album

Bon Iver – SABLE, fABLE

Die EP Sable, hat im vergangenen Jahr die Rückkehr von Bon Iver zu seinen angestammten Stärken in einsamen Folk-Hütten versprochen. Die nun daran angehängten zwei Drittel des fünften Studioalbums von Justin Vernons Bandprojekt – Fable – wollen aber ganz woanders hin.

Die (physisch sogar separat abgepackten) vier ersten, die EP darstellene Tracks von SABLE, fABLE passieren letztlich abseits des restlichen Verlauf – stilistisch und qualitativ: Rund um die Schönheit Speyside ist das Herold-Kurzformat als Einleitung gewissermaßen eine auf die falsche Fährte leitende Demonstration dessen, was Vernon immer noch am besten kann – aber nicht mehr unbedingt machen will – bevor sich die Dinge eben praktisch umkehren, der 44 jährige aus dem traurigen Solo-Refugium aufbricht, seine Band und verschiedene Produzenten sowie Songwriter an Bord holt, und mit einer optimistischen Zugänglichkeit gewissermaßen den Missing Link zwischen Bon Iver, Bon Iver (2011) und I, I (2029) rekreiert.
Bon Iver kommen nicht nur konkreten Songs bisweilen noch näher als auf dem sechs Jahre alten Vorgänger, nachdem Short Story, mehr Passage als vollwertiges Stück, in die bekannte Welt aus Effekten und Beats eintaucht, und das Panorama sich der gebastelten Indietronic ebenso wie auch dem konventionellen Pop öffnet.

Die Drum-Machine in Everything Is Peaceful Love klickert und klackert, ein bisschen funky, als würde ein Phil Collins gen Coldplay schwelgen, um einen zugänglichen, ebenso eingängigen wie unmittelbar wieder vergessenen Refrain von Frank Ocean zu finden. Das ist schön, gerade wenn die Nummer hinten raus mit Steel Gitarre heult, aber abseits des simplen Chorus und der Ästhetik passiert nicht viel, die Komposition und Performance plätschern einfach zu zwanglos. Ein bisschen wirkt SABLE, fABLE insofern bald wie ein Kompromiss, gefällig und reizloser produziert als die beiden vorausgehenden polarisierenden Paradigmenwechsel, ohne Faszination an der Grenze zur Komfortzone einnehmend. Doch man fängt sich.
Walk Home ist an sich ein feiner, klassischer Bon Iver-Song im dezent countryesken Gewand, wobei ein schlafender zurückgelehnt stapfender Beat dominiert, und die Effekte das Gewicht im Spektrum kosmetisch verschieben. From zieht die Zügel kompakter straff, fast wie ein opulenter auftragender 80er-Pop-Song im zu abrupten Ende und I’ll Be There zerfasert seine Massentauglichkeit jenseits von souligen Bläser-Elementen, wohlig und angenehm.
Das Aushängeschild If Only I Could Wait ist die Skizze einer All Saints-Erinnerung, die mit der auch anderswo auftauchenden Danielle Haim schöngeistig aufhebt, aber damit auch schon wieder vorbei ist, bevor die Nummer wirklich strahlen darf.

Das all dies nur bedingt packt, die artifizielle Auslegung der Ideen ihrer Tragweite auf emotionaler Ebene zumindest nicht entgegenkommt, die Substanz – trotz einer Reduktion der experimentellen Abstraktion der simpler gehaltenen Form – aber phasenweise immer noch zu bemüht in eine sterile Kunst-Ambition zu pressen versucht, die sich nicht wie eine authentische Notwendigkeit anfühlt, ist schade: Vernon ist ein genialer Folk-Singer Songwriter, aber bestenfalls ein guter Elektroniker.
Dennoch ist das Hauptproblem des zweiteiligen Albums, dass man ihm durch den brillanten Beginn mit falschen Erwartungshaltungen begegnen kann.
Doch nachdem in Day One der Gesang eine fragmentarische Collage aus zerschnipseltem Tasten-Geklimper alle Elemente um den dröhnenden Bass, die Gitarre und Beats wie ein elektronisch polarisierender Magnetismus zusammenhält, derweil Dijon und Jenn Wasners Projekt Flock of Dimes in die Sollbruchstellen von Gospel, Indie und Softrock fließen, schwingt sich SABLE, fABLE ungeachtet dieser Bürde noch einmal zu beeindruckender Schönheit auf: There’s A Rhythm (und sein ambienter Ausklang Au Revoir) bezaubert ruhig und zurückgelehnt, den beiläufigen Bogen im sanften R&B zu Beth / Rest und Deyarmond Edison spannend.
Was mit Fanbrille zum Aufrunden der Wertung führt, und in Summe einen (sehr) gelungenen, wenngleich spannungsarmen und risikofreien Überblick in der Mitte der Bon Iver‘schen Diskografie ergibt, wo etwaige konzeptuelle Beigaben das aufregendste Element der Platte stellen.

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