Bong-Ra – Meditations

Meister Jason Köhnen verfolgt auf Meditations denselben instrumentalen, Free Jazz assimilierenden Doom Metal-Weg weiter, den er Bong-Ra (2.0) vor vier Jahren auf Antediluvium überraschend hat einschlagen lassen.
Diesmal interpretiert der Niederländer als zugrunde liegendes Konzept jenseits des Breakcores von Bong-Ra 101 zwischen stilistischen Referenzpunkten wie OM, Eaters of the Soil, Neptunian Maximalism, 夢遊病者, den Brötzmanns oder natürlich auch seiner eigenen ehemaligen Referenz-Spielwiese Kilimanjaro Darkjazz Ensemble (also: näher an Köhnens anderen Projekten) mit philosophischen Ambitionen die Tugenden des Stoizismus und Marc Aurel.
Ein stilistische Melange, die mittlerweile zwar streng genommen keinen Anspruch für sich reklamiert, tatsächlich originär zu sein, die Bong-Ra aber, wie man inzwischen weiß, nicht nur ästhetisch ausgezeichnet steht, sondern auch in der angedachten Wirkungsweise mit einem fast existentiellen, zumindest aber archaischen Pragmatismus durchaus inspiriert funktioniert. Majestätisch und imposant, hässlich und grazil, voluminös und ehrfurchtgebietend tun sich die tonalen Gebirgszüge hier auf, verschlingen mit einer ritualistischen, spirituellen Härte
Courage installiert dafür den schweren, gar tektonisch walzenden Groove mit der Geduld des Drone Metal entlang seiner kontemplativen Riffs, setzt die massive Grundierung für die physische Hypnose ein, während eine mystische Patina mit melodischen Verzierungen den transzendentalen Eskapismus mit fernöstlicher Note kultivieren, bevor das in drei Stücken der Platte prominent vertretene Saxofon um chorale Texturen somnambul in darkjazzig gedämmerten Licht geistert: diese Meditations wollen die Nackenmuskeln ebenso ansprechen wie das Unterbewusstsein; und Köhnen (bass, guitar, piano, chants/choirs) setzt die Hebel dafür gemeinsam mit den Gästen Dmitry el Demerdashi (oud), Colin Webster (saxophone) und Eugene Bodenstaff (drums) in grollender, schwelgender Dramatik ein.
Dazu findet Köhnen im Rahmen der kaum Überraschungen bietenden Bildsprache stets eine das Interesse bindende Artikulation. In Wisdom plättet die martialisch dröhnende Urgewalt des systematisch brutalen – das generell federführende Instrument darstellenden) Basses, der vom Jazz-Schlagzeug eingefangen wird – doch erst eine Gothic-Patina der Gitarre bändigt das Stück im sakral malmenden Doom, der zum Heavy-Sax-Jam mutiert. Die subversive Intensität entsteht jedoch durch die gefühlt elektronischen Texturen, die Köhnen von Mount Fuji her holt. Justice beginnt als fernöstliche Askese im nebulösen Space, assimiliert dann eine simpe modulierte Melodie in die Avantgarde, ohne der Nummer einen kitschigen New Age-Anstrich verleiht. Effektiver, wenngleich standardisierter ist das dystopische Temperance ausgelegt, das sich erst hemmungsloser gehen lässt, dann aber ruhig im Ambient inhalierend den versöhnlichen Ausklang bietet. Ohne Begeisterung zu entfachen, weil die wirklich genial-ikonisch überragenden Szenen fehlen, und die Summe oft überzeugender ist, als die einzelnen Bestandteile, entfachen die 38 Minuten eine tiefe, breitenwirksame Befriedigung, denn Köhnen ist eben einfach ein Meister seines Faches – und Meditations an der mittlerweile nicht unpopulären Schnittstelle aus Jazz und Metal ein im besten Sinne routiniertes Schaulaufen.
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