Bongripper – Empty

von am 17. Mai 2024 in Reviews

Bongripper – Empty

Die vergangenen Dekade hat den Eindruck vermittelt, dass Bongripper wohl nie enttäuschen werden, ihre besten Zeiten allerdings hinter ihnen liegen – nur damit sich die Doom/Sludge/Drone-Instrumentalisten nach sechs revitalisierenden Jahren Pause mit dem vor Substanz strotzenden Empty ihr stärkstes Album seit Satan Worshipping Doom aus den Knochen wringen.

Wenn eine Band so derart auf einen Sound abonniert ist wie Bongripper, und auch ihr Songwriting in einem konservativ den Gegebenheiten des Genres folgenden Rahmen bewegt, wie es das Quartett aus Chicago tut, ist es natürlich schwer, die exakten Vorzüge und Nachteile einzelner Platten in einem relativ deckungsgleichen Output zu definieren. Daher sich Bongripper aber  weiterhin einer instinktiven, fast primitiv auf imaginativer Ebene der Heaviness in Trance versetzende Wirkungsweise verschrieben haben, muss und darf das Bauchgefühl wohl auch ohne empirische Klarheit als Orientierungspunkt genügen.
Und eben das besagt: so inspiriert, dicht und fesselnd, voller hängen bleibender Ideen und Kniffe, feister Riffs und malmender Rhythmen in intensiver Spannung, wie Dennis Pleckham (guitar), Nick Dellacroce (guitar), Ronald Petzke (bass), Daniel O’Connor (drums) auf (dem seine Trackliste traditionell in vielen Variationen ganzheitlich zu lesen lassenden) Empty arbeiten, taten sie es auf Miserable (2014) und Terminal (2018) nicht ganz. Weswegen man eben durchaus von einer Rückkehr zur Form der mit Hippie Killer legendär gewordenen Gruppe schwärmen darf.

Und damit dann doch alleine insofern daneben liegen würde, weil Bongripper mit Forever eine Etappe meistern, die sie so bisher selten in ihrem den Dreck unter den Fingernägeln zeigenden Kaskadenlauf in Angriff genommen haben: Im mystischen, ambienten Drone wiederholt die Gang ein melancholisches Riff geduldig wie eine bekümmerte Erinnerung, schiebt irgendwann pochende Drums unter das Geschehen und lässt das Gebräu bedächtig dickflüssig und ziehend erblühen – ganz ohne Gemeinheit, ein bisschen unterschwelliger Dunkelheit und einem relativ klaren Verständnis für die Katharsis von Schönheit jenseits der existentialistischen Crescendos, lösen Bongripper die schlauchartig zulaufende Nummer ätherisch unspektakulär auf, und schmiegen sich ästhetisch erstaunlich versöhnlich an Bell Witch. Keine wirkliche Neuerfindung der Rezeptur, aber doch eine angenehme Gewichtsverlagerung im MO, der sehnsüchtig atmen lässt.

Zumal das direkt übernehmende Titelstück danach (den tollen Handlungsbogen des Gesamtwerks hervorheben) alles tut, um einer kolossal massiven Platte ein verdient auslaugendes Finale zu besorgen.
Es sinniert in unbehaglicher Eleganz über den Anachronismus einer vergangenen Tragik, schleppt sich über den Nebel eines aufgelassenen Friedhofs bis zur martialischen Presse, die auch Conan in den Schlacht-Marsch versetzt. Es serviert Überraschungen wie einen kurzen, aber kompletten Break, und wird dennoch nicht ohne Vorwarnung von der Tarantel gestochen nach vorne gepeitscht. Bongripper drehen dem Song dann konstant die Daumenschrauben über dem Feedback-Rausch an, servieren alsgleich noch einen unterstreichenden Epilog und entlassen mit einem Gefühl der unbedingten Effizienz aus ihrer Welt.

An deren Beginn glüht Nothing lange vor, bis sich ein psychedelisches Riff aus der Melasse schält, das stoische Gewicht headbangend schiebend. Der das Volumen ebenso flächig wie die drückende Prägnanz pointiert einfangende Sound röhrt und groovt, reibt die epochalen Saiten-Gebirgsketten knackig, garstig und majestätisch, fies rumorend und episch anstrebend zu okkulten Schimmern liebäugeln lassend. Bongripper variieren das Geschehen, fesseln, knattert asketisch mit kakophonischen Spitzen zum erlösender Klimax, strahlen in all ihrer Pracht und Klasse, bevor sich Remains als zähflüssige Masse hässlich am Rock-Moloch heulend geradezu kompakt schleppt, seine gotische Patina knochentrockend stampfend aber sogar bis zur Death Doom-Aura transkribiert. Die Amerikaner holen hier alles aus sich heraus, verausgaben sich, und steigen dennoch keineswegs leergepumpt aus dem Höhlensystem ihrer Komfortzone, sondern verabreichen sich mit einem How-to-Bongripper-Schaulaufen jenseits der Nabelschau eine hungrig machende Frischzellenkur, die vor selbstbewusster Vitalität strotzt und als Fan-Pleaser wie eine volle Wundertüte ohne wirkliche Überraschungen überzeugt, derweil eine pure Zufriedenheit schwerer wiegt, als etwaigen euphorische Tendenzen.
Weswegen ein Album mit vier Songs über 67 Minuten Spielzeit in Summe dann derart kurzweilig geraten sein kann, lässt sich deswegen durch all das pure Können, Wollen und Müssen in Empty übrigens ziemlich einfach festmachen.

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