Boygenius – Boygenius
Phoebe Bridgers, Lucy Dacus und Julien Baker haben als starke Individualistinnen nicht nur für eine gemeinsame Tour durch Nordamerika zusammengefunden, sondern auch gleich die designierte Supergroup boygenius ins Leben gerufen.
Womit wohl nicht nur für Baker selbst ein kleiner Traum in Erfüllung gehen dürfte – mit drei grandiosen Solodiskografien im Rücken gehört das Schaffen Baker, Bridgers und Dacus schließlich durchaus zum fabelhaftesten, was das Spannungsfeld aus Indie, Singer-Songwriter und Folk in den vergangenen Jahren zu bieten hatte.
An diesen Qualitäten knüpft boygenius nun praktisch nahtlos an – stilistisch gerade in seiner ersten, nichtsdestotrotz noch schwächeren Hälfte: Bite the Hand ist guter, bittersüßer Alternative Rock aus der vergleichsweise straighten Feder von Darcus, der auch seinen Platz auf Historian reklamieren hätte können. Etwas weniger schnörkellos dann Me & My Dog, das mit seiner Banjobegleitung die Handschrift von Bridgers trägt, sich nach seinem feinen Aufbau allerdings zu konventionell in die 90er verfolgende Pfade fallen lässt und damit das einleitende schmissige Wesen der Platte als liebenswerter Szene-Hit fortsetzt: Solide, aber nicht herausragend, vielleicht auch zu pflichtbewusst traurig. Das überragende, zurückgenommen entschleunigte Souvenir platziert sich danach dagegen als wunderschön balladesk zerfließende Melancholie zwischen Sprained Ankle und Turn Out the Lights, eine typisch Introspektive Intensivkur von Baker – und boygenius sind auf Betriebstemperatur angekommen.
Obgleich streng genommen tatsächlich die Singles Stay Down, Bite the Hand und Me & My Dog am längsten existieren – mehr als danach zeigt sich schon in dieser Phase der EP die grundlegende und ursprüngliche Substanz der verwendeten Kompositionen: Jede der drei Musikerinnen brachte einen voll ausformulierten, sowie einen im Entstehungsprozess befindlichen Song in das Projekt. Wo die ersten drei Nummern ihren Urheberinnen insofern klar zuzuordnen sind und eher wie jeweilige Solonummern mit reichhaltig ausstaffierten Gastbeiträgen und einer greifbaren Homogenität funktionieren, die immer dann am besten sind, wenn die ineinandergreifenden Stimmen und wunderbaren Harmoniegesänge die Songs tragen, wächst boygenius erst im zweiten Part der EP zu mehr als der Summe seiner Teile.
Erst dann beginnen Bridgers, Baker und Darcus ihre klaren Handschriften im Verlauf der EP deutlicher in der Synergie aufzulösen, ergänzen sich und ihre Stile absolut grandios, bauen ihre charakteristischen Ausprägungen von Grund auf zusammen und beginnen so aus verschiedenen Perspektiven das volle Potential von boygenius abzuschöpfen. Dacus wirkt dann weniger prägend und richtungsweisend für die Nummern, während Bridgers und Baker (auch hier übrigens für die emotionalen Magenchläge und annähernd magischsten Momente verantwortlich) den Raum nicht „nur“ als bezaubernde Asse im Ärmel füllen.
Geschenkt also, dass das getragene Stay Down mit perlenden Piano- und Gitarrentexturen seine weitläufig und geduldig brodeln angelegten Spannungen irgendwann in eine beinahe kitschige Aufbruchstimmung mit hymnisch aufbrechenden Finale destilliert, das wie der energische Schlusspunkt eines emotionalen Coming of Age-Melodramas mit etwas zu plakativ kämpferischen Lyrics klingt: Hier bebt das Herz mit der großen Geste, die Baker zuletzt so liebte, auf den Schultern dreier gleichberechtigter kreativer Köpfe.
Salt in the Wound brutzelt hingegen kontemplativ in den Noise, ein folkiger Rocksong mit shoegazendem Überbau und überwältigender Dichte. Und das wunderbar ätherisch noch weiter zu den Fleet Foxes schimmernde Ketchum, ID erinnert an den Christmas Song der Felice Brothers, addiert einen sehnsüchtigen Carter Family-artig schwelgenden Harmoniekathethrale über dem spartanischen Klanggewand, das [amazon_link id=“B0741HBH8V“ target=“_blank“ ]Stranger in the Alps [/amazon_link] nur noch im Rückspiegel sieht.
Das sind dann drei abschließende Glanztaten, die die individuellen Stärken aller Beteiligten gleichzeitig auf ein Podest heben und entlang der hohen Erwartungshaltungen nahezu formvollendet fusionieren. Mit diesem Ansatz stellen boygenius mittels etwaig folgender gemeinsamer Langspieler sogar in Aussicht, die bisherigen Highlights von Darcus, Bridgers und Baker noch zu übertreffen und den Terminus Supergroup endlich einmal wieder gerecht zu werden.
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