Celeste – Assassine(s)

von am 27. Januar 2022 in Album

Celeste – Assassine(s)

Die Titelgebung und das Corporate Design-Artwork versprechen es zwar unbedingt, allerdings haben Celeste ihren unverkennbaren Signature Sound des vom Screamo sozialisierten Post-Black-Sludge für Assassine(s) doch spürbar adaptiert.

Der Wechsel der Franzosen von Denovali hin zum Giganten Nuclear Blast nach vier Langspielern wird per se für eine breitere Aufmerksamkeit sorgen (was gerade insofern noch rechtzeitig kommt, um in der öffentlichen Wahrnehmung nicht ganz hinter der britisch-amerikanischen Sängerin unterzugehen) – zusätzlich öffnet die Band aus Lyon ihre Trademarks durch die Produktion des mit großen Namen vertrauten Chris Edrich allerdings noch zusätzlich.
Die Inszenierung zeigt Celeste näher an einer latenten Metalcore-Affinität, transparenter und klarer eingefangen, Schlagzeug und Gitarren klingen präziser artikuliert. Das Songwriting findet so den Halt, um klarer konturiert und griffiger strukturiert ausgerichtet zu werden. Die patentierte chaotische Unberechenbarkeit und desorientierende Impulsivität des Celeste-Stroms, der mit Haut und Haaren verschlingend verloren machen kann, sind auf dem sechsten Studioalbum jedenfalls zurückgewichen, damit die Kompositionen mehr Auftrittsfläche bieten können, tatsächlich zugänglicher, kompakter und einfacher fassbar geworden sind. Unbestreitbar wird dies nicht erst in Elle se répète froidement, wenn eine versöhnlich sinnierende Melodie immer wieder als Leitstrahl durch die Texturen eines beherrscht auftretenden, fast kontemplativen Songs bricht.

Schon der Opener Des torrents de coups setzt die neuen Impulse schließlich um, indem Celeste lauernd um eine offene Wunde schlängeln, die sich disso-metallisch um die verzweifelt flehende Aggression dreht, und dabei eine postrockige Weite im Spektrum bekomm – die Bridge bringt die Trademarks der Band gar wirklich näher zu einer konventionellen Mitte. Dort kurbelt Il a tant rêvé d’elles systematisch modern, kraftvoll – majortauglich, ohne die Wurzeln zu kappen.
Der Stakkato-Antrieb von De tes yeux bleus perlés kommt dagegen aus dem Djent und bietet fast schon singletauglich-catchy (kann man das im Kontext dieser Gruppe überhaupt schmerzfrei so nennen?) ausgebremst walzenden Schleiern ebenso nackenbrechende Reibung wie manischen Blastbeats, bevor Draguée tout au fond mit tiefgestimmte Math-Riffs und tackernder Rhythmik erstaunlich elegisch ein finsteres Panorama sucht. Nonchalantes de beauté betont dort den Post Metal-Aspekt und die neu erschlossene Bandbreite im fokussiert gebliebenen Brennwinkel, zeigt seinem Titel folgend etwas erhebendes und fast hymnisch beschwörendes, während Celeste dem Song hinten hinaus so viel Raum geben, um aufgeräumt mit sich selbst im Einklang geduldig zur Ruhe zu finden.

Die zwischen den Zeilen an sich sparsam gesetzten Nuancen der Veränderung treten also immer wieder merklich akzentuiert auf, manchmal gar dezitiert in den Vordergrund reichend. (A) flicht ambiente Elektronik in das Gefüge, täuscht Handclap-Percussions zur unheilvollen Synth-Atmosphäre an und orientiert sich dann mit melancholischer Heaviness Richtung Cult of Luna, ballert mit malerischer Ergebenheit, und lässt eine beängstigende Schönheit gedeihen.
Die Entwicklung der Franzosen kulminiert letztendlich im finalen Le coeur noir charbon, dessen Oldschool-Ausrichtung muskulös trainiert um Schichten entlang einer Beigabe von  Heaven In Her Arms-Gitarrist Katsuta wächst, damit die dynamisch eindringliche Dramatik plötzlich den bittersüß-hellen Gesang von Emily Marks auf die apokalyptische Kanzel hebt und den Celeste-Kosmos träumen lässt. Diese Symbiose folgt an sich dem leidenschaftlichen MO der Band, doch provoziert das Quartett so nun ein episches Momentum, dessen Majestät keinen rein nihilistischen Ekel mehr fordert, sondern monumental und anmutig willkommen heißt.
An diesem Punkt blendet das (zumindest für Puristen erst etwas zu einfach fassbar scheinen könnende, dann aber schnell eine süchtig machende Intensität mit überraschend unterhaltsamen, regelrecht kurzweiligen Unterhaltungswert demonstrierende) Assassine(s) ab und entlässt justament, wenn die Metarmorphose einzusetzen beginnt mit Heavy Rotation-Wunsch wahlweise fast optimistisch – und angesichts der stilistisch so unverrückbar scheinenden Verortung der Band auch neugierig: Hiermit könnte die Weichenstellung für einen endgültigen Paradigmenwechsel initialisiert worden sein.

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