Collier – You Have Been So Kind

von am 9. August 2022 in EP

Collier – You Have Been So Kind

Owl. —> Oli Knight —> Collier: Das wunderbare Gitarrengeplänkel des Mannes aus Manchester durchläuft für You Have Been So Kind jedoch nicht nur hinsichtlich des (real)namensgebenden Banners eine Metamorphose, sondern wächst auch stilistisch über sich hinaus.

Recorded on a fortnight in an iphone“ orientiert sich You Have Been So Kind aus der angestammten Reduktion kommend so deutlich wie keine bisherige Veröffentlichung am Postrock, assoziiert mit der Schlichtheit des LoFi Genre-Bands wie Mogwai oder Explosions in the Sky.
Als Collier klingt das atmosphärische Patentrezept bereits im verträumten A First überraschend kraftvoll, klar und bestimmt, vielschichtig in der Harmonie aufgehend – fast sogar, als würde die Schönheit der Nummer von schüchtern flötierenden Arrangements begleitet werden. Die Skizze All Ways oszilliert nachdenklich gezupft, verdichtet sich in eleganten Reflektionen und verglüht vergänglich, derweil Worries seinem (wieder einmal ideal das vermittelte Gefühl der Musik übersetzenden) Titel entsprechend nachdenklicher sinniert, zu hadern und zu grübeln scheint,  während die ambient-flächigen Texturen eine ganz neue Ebene an emotionaler Tragfähigkeit addieren.

In Safely verwandelt sich eine gelöste Verspieltheit in eine regelrecht rockige Aufbruchstimmung, mit zärtlich – aber stramm! – angeschlagenen, stampfenden Rhythmus, sogar klimpert, abermals die flüchtige Verabschiedung wählend – doch das leider viel zu plötzlich abgedrehte Here There Nowhere übernimmt ästhetisch, schrammelt mit rumpelndem Indie-Schlagzeug, die Dynamik erhebend, wiewohl die Handschrift seit owl.-Tagen erkennbar bleibt.
Bliss fällt danach hinsichtlich des ansonsten einem stringenten narrativ folgenden Spannungsbogens ein wenig aus dem Rahmen, kehrt wieder zum Minimalismus des einsamen Gitarrenspiels zurück und wirkt als abrupt auftauchendes Intermezzo an dieser Stelle im Sequencing deplatziert – das Wesen und die Bestimmtheit, auch die Lautstärke und Betonung passt nicht zum bis dahin zurückgelegten Fluss. Happy to Be geht schließlich aus der selben Veranlagung weicher und geschmeidiger einen ruhiger eingefangenen Weg, lässt sein Gitarrenspielen mit Sanftmut sinnieren und nimmt dann ein Schlagzeug hoffnungsvoll an der Hand, verfällt in einen tröstend zurückgelehnten Trott, schwebt dem Horizont vorsichtig entgegen.

Und ja sicher bedient das dabei im Grunde nur konventionelle, typisierte und vor allem simpelsten Postrock-Baukasten-Motive, ist dabei aber gefühlvoll und berührend, indem was You Have Been So Kind tut, die stimmungsvolle Imagination funktioniert als Eskapismus-Kleinod. Mehr noch: was an sich unspektakulär im besten Sinne ist, muß innerhalb des Kontextes vielleicht sogar als aufregende neue musikalische Phase bewertet werden.
Oder anders: You Have Been So Kind dauert 17 Minuten – doch hat Collier diesmal Fragmente geschrieben, denen man wirklich über ein Vielfaches der Spieldauer bei der Entwicklung zuhören hätte können; weswegen mehr und ausführlicheres Material in dieser Gangart hoffentlich nur eine Frage der Zeit ist.

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