Crippled Black Phoenix – Great Escape

von am 29. September 2018 in Album

Crippled Black Phoenix – Great Escape

Die trotzige Energie des tollen 2016er-Vorgängers Bronze ist zwar leider passé, die wiedergefundene Zuverlässigkeit im Auftreten haben sich Crippled Black Phoenix jedoch weitestgehend bewahrt. Einzig wieviel Zeit Great Escape verschwendet, kann verdammt ernüchternd sein.

Ein Vorwurf, der bei einer Band freilich geradezu absurd ins Leere laufen müsste, die seit jeher derart konsequent auf epische Songlängen setzt, Kurzformate von der Spielzeit veröffentlicht, die anderswo reguläre Alben vermessen, oder bisweilen ohnedies gleich Platten im Doppelpack vorlegt.
Tatsächlich aber ist der Fokus diesmal merklich verstellt, spult Great Escape über die viel zu lange Spielzeit von 74 Minuten derart viele redundante Meter ab, dass die Augenlider irgendwann mit ärgerlicher Frustration auf Halbmast wandern können. Gleich das sozialkritisch gemeinte, aber rundum obsolete Ansprachen-Samplestück You Brought It Upon Yourself meint man über seinen Ambientklängen schon duzende Male von Justin Greaves vorgekaut bekommen zu haben. Uncivil War, Pt. 1 (dessen zweiter Teil als absurde Einsparungsmaßnahme nur auf der digitalen Deluxe-Version des Album zu finden ist) kocht mit seinem stampfenden Militarismus vollkommen unnötig als vorausschauendes Interlude so halbgar ausformuliert die Grundidee des unmittelbar nachkommenden Schmankerls Madman vor.
Das einzige, was ermüdender als der dauerhaft repetierte „I‘m sorry/ So sorry“-Text von Nebulas ist, ist der unendlich bemüht und pseudo-bedeutungsschwer schwandronierendend-gezwungene Vortrag von Belinda Kordic über dem zu eindimensional-poppig aus dem Nebel hervortretenden, simplizistischen Grundmotiv der Nummer. Und das zu dieser Phase der Platte eigentlich bereits um Luft ringende elaborierte Finale mit dem Doppel aus dem zweiteiligen Titelsong schindet später zwar Zeit ohne Mehrwert, reizt seine Existenzberechtigung als guter Standard ohne zwingendes Momentum über 20 Minuten aber nur deswegen nicht aus, weil Attribute wie „essentiell“ oder „inspiriert“ auf Great Escape eben doch durch die Gütesiegel „Klasse“ und „Qualität“ relativiert werden.

Schon der Vorbote To You I Give (praktisch ein wundervoll aufgewärmtes Selbstzitat rund um I, Vigilante, voller sehnsüchtig wehender Melodien und majestätisch getragener Arrangements) hatte insofern bereits die Grundaussage, dass Crippled Black Phoenix auf Autopiloten geschalten in ihrer Komfortzone mit einer gewissen Gemütlichkeit minus der rockenden „Jetzt erst Recht“-Mentalität von Bronze durchaus endlich wieder rundum zufriedenstellend funktionieren, wenn die Stimmung einnimmt, das Songwriting dahinter sitzt und die Performance auf den Punkt findet.
Was eben über weite Strecken der Fall ist, wenn Great Escape über diese kaum aus dem Fenster gelehnten Punkte ansatzlos abholt, mittels des Endtime Ballads-Signature Sounds der Band über die fesselnde Atmosphäre in seinen Kosmos zieht, man alleine schon kein Wort mehr über die Qualitäten von Daniel Änghede verlieren muss, während das sechste Studioalbum der Briten beständig wächst – und dabei über eine generell souveräne Substanz durchaus zahlreiche vortreffliche Diskografie-Vertreter zu bieten hat. Das reduzierte Rain Black, Reign Heavy zaubert etwa über einer singenden Säge, Ziehharmonika und Westerngitarre leise Hoffnungen über dem Folk-Lagerfeuer, um später eine tröstende Schwere als Katharsis anzunehmen und Times, They Are A’Raging ist zwar nicht halb so gewitzt, wie sein Titel es anvisiert, träumt sich dafür aber über erhabene Klavierlinien und ein sanftes Ambiente in zärtlich an Spannung aufnehmenden Outlaw/Sphären mit orgelndem Goth-Anstrich und hypnotisierendem Solo.

Wenn Greaves seine Band dabei thematisch an der Aufarbeitung eigener psychischer Probleme arbeiten lässt, kommt die inszenatorische Balance jedoch dezent unausgegoren durcheinander. Ein routiniertes Schaulaufen verschwimmt gerade dort frustrierend mit auslaugenden Durchhängern, wo Crippled Black Phoenix merklich über Gebühr praktizieren – aber auch dort, wo sie gewillt sind, einer bauchpinselnden Nabelbetrachtung mehr Aufmerksamkeit zu schenken, als ambitionierten Perspektiven.
Dabei zeigen einige distinktiv herausragende Momente, was an Evolution bei den melancholischen Progdoomrockern nach der überstandenen Unruhen der vergangenen Jahre theoretisch möglich wäre. Madman addiert zu seiner düster kontrollierten Strenge ganz grandios sitzenden retrofuturistische Synthies mit dystopisch dräuender Depeche Mode-Beklemmung, wo das instrumentale Slow Motion Breakdown sich ein 80er-Neon-Reklameschild vor Pforten gönnt, die mit mehr Aggressivität schon beinahe in Metal-affine Gefilde führen könnten, wenngleich letztendlich der Karneval aus Burnd Reynolds aus dem Staub kriecht.
Das massige Las Diabolicas schickt sich dagegen später glich selbst durch das verfremdende Effektgerät und heult wie eine computergenerierte Walze mit math-lastig oszilierenden Gitarren, organischer Rhythmusmacht und orientalisch angehauchtem Harmoniegefühl. Das ist vielleicht nicht der Weisheit letzter Schluß, gerade wenn der Song sich kompositorisch im Nirgendwo verläuft, aber in seinem Willen Neues Potential zu erschließen beachtenswert.
Auch weil Greaves derartige Expeditionen jedoch wie nicht zu Ende gedachte Skizzen in den Albumfluss einstreut, drohen die enervierenden Passagen der Platte auf die ersten Durchgänge belastender zu wiegen, als ihre zahlreichen Stärken. Zwar stimmt es auch so, dass das Niveau (nach dem aus der Demata-Phase von (Mankind) The Crafty Ape bis White Light Generator nach oben freibrechenden Bronze) im Crippled Black Phoenix-Universum vom diesbezüglich beinahe paradox betitelten, artworktechnisch entsprechend aufzeigenden Great Escape gehalten wird. Doch wäre mit einem besseren Zeit- und Schwerpunktmanagement noch deutlich mehr möglich gewesen.

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