Emma Ruth Rundle – EG2: Dowsing Voice

von am 22. Mai 2022 in Album

Emma Ruth Rundle – EG2: Dowsing Voice

Elf Jahre nach Electric Guitar gebiert die zuletzt mit Engine of Hell (2021) und Orpheus Looking Back selbstanalytisch in sich gehende Emma Ruth Rundle mit dem realitätsfernen EG2: Dowsing Voice einen indirekten geistigen Nachfolger zu ihrem ihrem Solodebüt.

Die Unterschiede zwischen den beiden Platte ist dabei immanent und auch deutlicher, als es der Titel alleine suggeriert: EG2: Dowsing Voice bietet zwar im Gegensatz zum rein instrumentalen Quasi-Vorgänger von 2011 tatsächlich auch vagen Stimmeneinsatz jenseits konkreter Texte, aber vor allem mehr akustische denn elektrische Gitarren. Der gemeinsame Nenner liegt jedoch im intuitiven, instinktiven und improvisierten Zugang.
Oder wie Rundle selbst sagt: „An album of improvised music – with an emphasis on rediscovering the vocal – by way of intuiting unseen beings and goddess forms underground, and in the water, and in the waves and the wind, and rain, and welling up from the wells.. all in Wales – where I was in the winter Jan/Feb 2020- I made a 140 page book of visual art to augment the sonic journey – EG2 was Recorded in January of 2020 out May 13 2022 on Sargent House. Record is limited to a small pressing of undisclosed amount and books are limited to 350.

Und als relativierender Nachsatz: „Please note that this is my weird art project. It’s different, and not for everyone. There aren’t traditional songs really… and it’s not quite the same as EG1. there’s more vocalizing- (singing but without ‘lyrics’ – throat singing – screaming – made up language). It’s still a sequel though – I believe the heart of the series lies in the improvisational nature of the music…
Wir haben es bei EG2: Dowsing Voice also dezitiert mit einem ausgewiesenen Liebhaber-Stück zu tun – bei dem (mittlerweile entgegen aller Ankündigungen in die zweite Auflage gehenden) Buch freilich sowieso, aber auch der (neben ihren physischen Exemplaren digital nur via Bandcamp konsumierbaen) Musik, die als experimenteller Avantgarde Folk und ritualistischer Ambient durch skizzenhafte Fragmente ausschnitthafter Stimmungsbilder fliest, eine primitive Ader im Okkulten suchend, surreal, kryptisch und homogen, jenseits der analytischen Struktur als naturalistisches Imaginarium.

Intro to the Underpool: The Path, The Gate, The Field, The Well breitet das cineastische Flair des Albums im mystischen Drone mit psychedelisch sinnierenden Gitarren aus, bevor Keening into Ffynnon Llanllawer als skelettiertes Lagerfeuer- Western wie ein bluesiger Duke Garwood in rasselnden Ketten mit delirant flehendem Singsang an die ästhetische Seele von EG2: Dowsing Voice. Zwischen Trost und Hoffnungslosigkeit existiert hier höchstens ein schmaler Grad, und diese Unwirklichkeit macht dann auch denn fast fiebrigen, somnambulen Trance-Reiz der tonalen Seance. In the Cave of The Cailleach’s Death-Birth ist dort eine schnaufende, kultische Atemübung kultisch zwischen Hereditary und Pharmakon, dämonisch beißend und fauchend atmend, letztendlich auch irgendwie manisch psychotisch. Das Doppel aus dem nur wenige Sekunden langen Gathering around Pair Dadeni un Brigid Wakes To Find Her Voice Anew. The Little Flowers and Birds Show Themselves positioniert sich dazwischen auf der Prärie in einer friedlich-besessenern Nacht, niedlich und verstörend dem Morgen entgegenfantasierend.

In Imbolc Dawn Atop Ynys Wydryn. Ice Melts as the First Resplendent Rays of Spring Pour Over the Horizon. bastelt Emma aus Ethereal Synth-Texturen und dem diffusen Chor der eigenen Stimme ein Konstrukt, als hätte LINGUA IGNOTA Marked for Death in einer Schamanenvision rekonstruiert – die Wirkungsweise ist universell und trotz des märchenhaften Wesens der Platte eigentlich keinesfalls unpersönlicher als Engine of Hell, der Zugang nur gänzlich anders, weil in jeder Hinsicht fiktiver. Was auch daran liegt, dass es einfach faszinierend ist, welche Tiefe der Sound und die Atmosphäre vor dem Inneren Auge zeichnet. Assoziativ mutet das etwa in The Tempest on Trefasser karg schrammelnd und plingend mäandert an – Marke: Josh T Pearson verirrt sich auf einen warm-dystopischen Score von Nick Cave und Santaollala. Don Danann Dana Danu Ana macht dort weiter, übersetzt jedoch die melancholische Nachdenklichkeit in eine griffigere Form mit regelrecht eingängig skizziertem Grundmotiv, zu dem Emmas Stimme ätherisch entrückt haucht und unterstreicht, dass die Melodik hier schon eine Rolle spielt, wenngleich eine unorthodoxe: Don Danann Dana Danu Ana zeigt, wie ein elegischer Ohrwurm als nicht greifbare Erinnerung im Äther aufgelöst auf EG2: Dowsing Voice klingt.

Das als flimmernde Collage aus der Zwischenwelt aufgelöste Standing Stones Singing / Cellphone Towers Ringing Up to the Darkening Sky ist der einzige Track in der zweiten Hälfte des Albums ohne Überlänge, bevor In Sadness for Our Dying World (Here Come the Christians) in Trance nebulös rezitiert wie Suspiria in einer endlosen Landschaft vor Twin Peaks, dem Dämmerzustand am unheilvollen Abgrund nahe. Der Nachhall dieser Odyssee bleibt danach vielleicht dezent, entwickelt (ausnahmslos) am Stück aber im konträren Kontrast zu allen anderen Veröffentlichungen von Rundle seit Electric Guitar eine Gravitation, entlang der man die Platte eher nebenbei laufen lässt, um sich hypnotisch begleitend in der impressionistischen Klanglandschaft zu verlieren: eine heimliche Schönheit eben.

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