Fawn Limbs & Nadja – Vestigial Spectra
Der Horizont hinter demdes „Geometric Noise“ und „Mathematical Chaos„: Die ihren Sound stets so adaptierbar aufbereitenden Fawn Limbs gehen für Vestigial Spectra in die Vollen und verschmelzen mit Nadja zu einer symbiotischen Einheit.
Nadja, die auf Drone-Experimente spezialisierte legendäre Band von Aidan Baker sowie Leah Buckareff, und den Extrem-Metal-Alchimisten Fawn Limbs (Eeli Helin und Lee Fisher) gelingt mit Vestigial Spectra ist ein Paradebeispiel für Kooperations-Platten, auf denen sich die beteiligten Parteien sowohl ihre eigene Identität bewahren und gleichsam in einer (nicht auf den kleinsten gemeinsamen Nenner beschränkte) Synergie ergänzen, die über die Summe der ursprünglichen Teile hinauswächst – was angesichts der ursprünglichen Verortung und dem daraus resultierenden Ergebnis durchaus an die beiden jüngsten Joint Ventures von Full of Hell denken lässt.
Ohne im Fall von Vestigial Spectra einem der Input-Geber hinsichtlich der Dominanz oder Prägung den Vorzug zu geben, folgen die aufgefahrenen 41 Minuten einem runden Spannungsbogen, wiegen die Amplituden des Spektrums gerecht und addieren die Bausteine zu einer neuen Existenz, auch wenn die ästhetische Komponente dafür gelegentlich über das (entweder aus der technischen Virtuosität oder instinktiv der Stimmung dienendem) Songwriting an sich gestellt wird – was aber vor allem mit dem Blick aufs große Ganze absolut klar geht.
Isomerisch bereitet die Palette dafür atmosphärisch als Harsh Noise-Fluktuation auf, deren Frequenz-Wellen subkutan wummern und dumpfes pulsieren, bevor Black Body Radiation Curve als wahnsinnig aggressiver Grindmath mit zerhackter Rhythmik und infernalem Gebrüll von ambiente Synth-Texturen zugedeckt werden, so dass die cinematographischen Noise-Arrangements mit der hasserfüllten Basis des Songs verschwimmen, sich im sphärischen Space-Kosmos auflösen und nicht nur ausschmückendes Symptom des Menschenhasses sind. Cascading Entropy platzt als atonales Disso-Chaos auf, lässt elektronisch verspulte Schaltkreise pendeln und growlt und deathdoomigen Schüben. Tragisch rinnt der malerische Horror an den Katakomben des Sludge herab, ein heroischer Alptraum mit sinfonischen Tendenzen, der den Industrial im Laderaum eines maschinellen Sci-Fi-Nihilismus repetiert.
Redshifted ist ein von Interferenzen infiziertes Drone-Röcheln mit gehauchten Vocals, die wie im Hall als gespenstische Wellen einer Ahnung auf- und absteigen, als würde die mystisch brutzelnde Nadja-Seance von bestialischen Erinnerungen heimgesucht, die sich in einem Swans‘schen Singsang auflösen.
Blueshifted erzeugt danach als schnaufender Industrial in Zeitlupe eine seltsame hintergründige Faszination und strahlt gar die Hoffnung auf Schönheit aus, derweil die Schraffuren jedoch hässlich sie und zum Abgrund tendierend: Die Dosis der Avantgarde-Elementen und strukturfreien, formoffenen Passagen ist gut im Fluss platziert und ausgewogen zu den infernalen Attacken bemessen. Der martialische Strom aus Aggression gibt sich in Distilled in Observance so unverbraucht hart und gnadenlos, rasend schnell, liebäugelt mit dem epischen Panorama, entscheidet sich dann aber doch für die psychotische Dillinger-Panik samt neonfinsterer Unbehaglichkeit.
Metastable Ion Decay attackiert mit schwelgenden Passagen, ein hypnotisierendes Oszillieren über dem Höllenschlund, das sich zwischen Riffs und sphärischen Texturen im Stoizismus konzentriert, bis nach knapp zehn Minuten Indoktrination abrupt der Stecker für ein vages Outro gezogen wird. Was in den Texten abstrakt bleibt, in der Aussage aber praktisch klare Fronten zieht – hinter den bisherigen Kampfzonen der beiden Formationen.
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