Flood of Red – Throw
Über vier Jahre haben Flood of Red benötigt um ihrem Debütalbum ‚Leaving Everything Behind‚ einen Nachfolger zu bescheren. Kein Wunder: derart schwer zu fassender, sphärischer Alternative Rock fällt einem nicht einfach so in den Schoß.
Dabei kann man Flood of Red weiterhin nicht konsumieren ohne im Gedanken klare Verknüpfungspunkte zu nahverwandten Bands zu flechten. „Earth Rock“ nennen die sechs Schotten das – man kann auch ausholen und attestieren: die DIY-Handwerker und neuen Labelkollegen von …And You Will Know us by the Trail of Dead umreißen treffend, wie die Neuerfindung von Tides of Man auf ‚Young & Courageous‚ geklungen hätte wäre Circa Survive-Frontmann und Saosin-Rückkehrer Anthony Green noch schnell ins Studio geschneit; nahezu deckungsgleich androgyn und markant prägt Jordan Spiers mit seiner klaren Stimme die Songs. Dennoch gibt der Sänger den Weg nicht alleine vor, lässt sein Organ von den Instrumenten gleichberechtigt umspülen, alles wächst in gegenseitiger Abhängigkeit. Die Gitarrenteppiche perlen und breiten sich aus, feine Synthiefäden sind an die Wände tapeziert, die Schotten umgarnen ihre zarten Melodien mit feingliedrig aufgeschichteten Cinemascope-Arrangements, vielschichtigen Prog-Texturen – und wieder Erinnerungen: an die seligen Oceansize oder frühe Dredg, in deren Tradition Flood of Red als Klangmaler Trostpflaster für die Dämmerstunden verteilen, in durchaus optimistischerer Stimmung als es das hoffnungslos düstere Artwork suggeriert: es ist vielmehr eine nebulöse, unwirkliche Traurigkeit, die diese 45 Minuten umgibt.
Wo die eklektische und suggestive Schönheit von ‚Throw‚ das Überraschungsmoment durchaus auf ihrer Seite haben kann verlangen die versammelten 9 Songs im Gegenzug deswegen vor allem das selbe was auch Flood of Red in den Entstehungsprozess der Platte investiert haben: Geduld und Zeit.
Kaum eine Minute der Platte drängt sich auf, nur wenige in der Vordergrund. Flood of Red lassen die sorgsam gewobenen Kompositionen ohne Hast fließen, ziehen die Spannung und den Druck selbst an den dramaturgisch kraftvollsten Momenten nur unscheinbar an. Sogar massiver gen Posthardcore, Screamo und Emocore bratzende Augenblicke sind mehr als alles andere schwelgend, ätherisch und sehnsüchtig; auf zarte, feinfühlige Art nachdrücklich: selbst in seinen kurzen Ausbrüchen inmitten energisch rockender Soundwände ist ‚Throw‚ die Suche nach einer unwirklichen Erhabenheit, einem Loslassen, das in majestätischen Kompositionen wie dem tränenreich strahlenden ‚Hiding Out‚ Erlösung sucht, im hart streichelnden Groove des hymnischen ‚Whispers And Choirs‚ Erdung findet oder in ‚Cutting Limes‚ gleichzeitig auf die Tanzfläche und einen unendlichen Ozean zu blicken scheint. Das einfühlsame ‚Ye Die, Ye Die.‚ wärmt dagegen als intim aufblühende Indie-Folk-Miniatur wie sie fokussierter auch Wintersleep einfallen hätte können. Immer wieder flirten Flood of Red mit einer ernsten, räucherstäbchenfreien Psychedelik wie dies auch O’Brother tun, im Titelsong schmelzen deswegen Metalriffs in die Weite von Pink Floyd, das shoegazende ‚White Russian‚ driftet gedankenverloren durch suchende Soundlandschaften mit grundierenden Streichern und souligem Keyboardglimmern.
Die Wellen brechen auf dem homogenen ‚Throw‚ introspektiv, sind große Gesten ohne pompöses Brimborium, mit akribischer Feinarbeit justiert. Vorwerfen kann man der Band dabei höchstens, dass sie wirklich magische Momente die über dem hohen Standard thronen nicht erzwingen wollen: einige impulsive Ausbrüche, die das wohlgeordneten System exzessiv aufsprengen hätten können wären der Dynamik der Platte wohl zusätzlich entgegengekommen – und sei es nur, um auch für unmittelbarere Befriedigungen zu sorgen. Der direkte Weg scheint allerdings eben nicht in die Philosophie dieser Band zu passen.
Weswegen das verträumte ‚Throw‚ hinterrücks wächst und einschneidende Geistesblitze nahezu unbemerkt ins Unterbewusstsein eindringen lässt und das präzise Zweitwerk der Band zu einem elegischen Kraftakt macht in den man sich förmlich verlieren kann; der dazu ohne Leerlauf soviel Luft zum Atmen bekommt bis die angestaute Referenzlast nicht restlos verblasst, jedoch deutlich eigenständiger als noch auf ‚Leaving Everything Behind‚ hinter die Ausstrahlung und einnehmende Atmosphäre der Songs tritt. Die Feinjustierungen die Flood of Red in den vergangenen 4 Jahren vorgenommen haben, sie mögen nicht immer mit freiem Auge zu erkennen sein, sind unter der Haut aber allgegenwärtig zu spüren. Alleine dieser subtile Entwicklungsquantensprung rechtfertig das geduldige Wachstum dieser Platte – und entlohnt mit einer aus der Zeit gefallenen Grandezza.
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