Glasvegas – Later…When the TV Turns to Static
‚Euphoric /// Heartbreak \\\‚ wanderte durch die Großstädte dieser Welt und wilderte dabei mit triefenden Synthie-Einlagen im Repertoire billigster Schnulzen. Für sein drittes Glasvegas-Album besinnt sich James Allen nun wieder in der stillen Heimat auf die Grundtugenden seiner Band.
Für den Songwriting-Prozess zog er sich also wieder in die Einsamkeit von Glasgow zurück und versucht sich an einem Album, dass installierte Trademarks wieder deutlicher in der Auslage bedient, derart bereits nach 2008 erwartet hätte werden dürfen: die Gitarren dröhnen weich am Shoegaze oder hallen mit viel Delay zwischen Badalamenti und den 50ern, das Schlagzeug läuft stoisch nebenher, der schottische Akzent von Allen ist nach wie vor tragend. Die Melodien dehnen sich nostalgisch und melancholisch, vor allem aber trieft hier der Pathos wieder aus allen Poren, schwingt in jeder von Allens leidvoll intonierten Herzschmerz-Zeilen mit. „Its all about the money“ heißt für den Ex-Footballer „All I Want Is My Baby!„. So funktionieren Glasvegas eben seit jeher – wer damit nicht klarkommt wird sich an ‚Later…When the TV Turns to Static‚ jedoch zusätzlich noch deutlicher stoßen können als an ‚Euphoric /// Heartbreak \\\‚.
Denn wo dem Zweitwerk zumindest attestiert bekommen durfte sich weiterentwickeln zu wollen, ist ‚Later…When the TV Turns to Static‚ konsequenter Rückschritt zur reinen Konfortzone des Debütalbum durch Stilmittelkonzentration, in seiner dramatisch gemeinten Ernsthaftigkeit gar bis hin zur Selbstparodie.
‚Later…When the TV Turns to Static‚ lebt weitestgehend alleine von den Gesangslinien Allens, zu selten entfaltet sich die Musik an sich, bleibt zumeist nur so stimmungsvoller wie zweckdienlicher Soundteppich im Hintergrund und folgt geradezu stupide der allgemeinen Hetzjagd sich abseits der dümpelnden Strophen alles Gewicht der Welt auf den eigenen Schultern zu laden. Das klappt wie im elegisch treibenden Titelsong, der simplen Editors-Verneigung ‚Magazine‚, dem gallopierenden ‚If‚ (samt smarten Talking Heads-Seitenhieb) oder dem mit scheppernden Schalgzeug nach vorne gehenden ‚Youngblood‚ so spannungsneutral wie ansatzweise ordentlich, ist jedoch von Beginn an vor allem halbgar aufgewärmte Selbstreferenz, welche die auf ‚Glasvegas‚ allgegenwärtige enthusiastische Tragik und fließende Emotionalität zu keinem Zeitpunkt wiederholen kann.
Zweimal brechen Glasvegas ihren schottischen Indie-Shoegaze mit Pianoballaden auf; einmal (‚Choices‚) bleibt dabei wenig hängen außer der Erkenntnis, dass Allen durchaus noch spielend romantische und sentimentale Atmosphären kreieren kann, offenbar aber keine packenden Songs drumherum mehr schreiben kann, während der zweite Anlauf (‚I’d Rather Be Dead (Than Be With You)‚) mit dem überstrapazierten überschlagenden Gesang nervenaufreibend die Theorie aufstellt, dass Allen seinen Kompositionen zwischen ihren immer verlockenden Refrains ohnedies unvollendet im Raum schweben lässt.
Ein Paradebeispiel auch ‚Secret Truth‚: hier verschenken Glasvegas alles Potential der nachdenklich ins Dunkel tänzelnden Gitarrenspur samt wankenden Rhythmus, indem die Band die vorhandene Grundidee schlicht und ergreifend nicht darüber hinaus weiterentwickeln kann, sie einfallslos an- und wieder abschwellen zu lassen. Dass Allen erstmals völlig im Alleingang produziert hat schadet also dem Sound der Platte keineswegs, während das Songwriting zusätzliche Impulse dringend nötig gehabt hätte.
Gegen Ende fällt mit dem intimen ‚Neon Bedroom‚ doch noch ein versöhnlicher Schunkler für den ins anachronistische Licht getauchten Ballsaal ab, auch, wenn der Song praktisch ein modifiziertes Cover von Radioheads ‚No Surprises‚ geworden ist. Wenn ‚Later…When the TV Turns to Static‚ mit ‚Finished Sympathy‚ endet, dass gerne schmalziges Breitwandkinoformat besäße aber letztendlich nur Heimkinoqualität ausspielt, ist erzwungene Fehleinschätzung der aufgefahrenen Intensität auch symptomatisch für ein Album, dass zu keinem Zeitpunkt wirklich schlecht geraten ist – aber eben gerade dadurch noch enttäuschender ausgefallen ist, daass nach ‚Euphoric /// Heartbreak \\\‚ eine Rückbesinnung auf anfängliche Tugenden wie das Zaubermittel gegen den abfallenden Songwriting-Prozess von James Allen gewirkt haben mochte. Neben dem Charme einer überflüssigen Neuauflage von ‚Glasvegas‚ scheint es nun aber, als hätte der Schotte seine stärksten Songs schlichtweg hinter sich.
Zehnmal klingt ‚Later…When the TV Turns to Static‚ damit im Ansatz vielversprechend, in Summe jedoch seinen Möglichkeiten ermüdend hinterherhinkend, auf zu wenigen Ideen aufgebaut, letztendlich vor allem auf gefällige Art beiläufig. Was natürlich für Musik, die derart hartnäckig und verzweifelt auf der Suche nach überlebensgroßen Emotionen und Gefühlen ist einem Todesstoß gleichkommt.
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