Glasvegas – Godspeed
Über das popkulturell ausgeschmückte Wunder-Artwork hüllen wir besser von vornherein ein vornehmes Schweigen, bevor es den Sachverhalt zu klären gilt, ob sich die acht Jahre Wartezeit auf Godspeed gelohnt haben.
Die Frage, ob wirklich viele Anhänger das Comeback der 2008 zu kurzem Ruhm gekommenen Band um Mastermind James Allan herbeigesehnt haben, klammert man dabei wohlwollend ebenso besser aus. Immerhin war nach dem tollen, ohne unnötige Raffinessen seine anachronistischen Trümpfe ausspielenden Debüt nicht mehr viel von den Schotten gekommen – der direkte Vorgänger Later…When The TV Turns to Static war beispielsweise trotz seiner Stadion-Ambitionen eigentlich unmittelbar wieder vergessen.
Dass sich für Album Nummer vier (seit 2014 in der Mache und in Eigenregie von Allan aufgenommen, als erste Glasvegas-Platte ohne Major im Rücken veröffentlicht auch zwangsläufig) etwas ändern würde, war absehbar – dass die Standortbestimmung keine restlos befriedigende Ergebnisse liefern würde, hingegen angesichts der bisher beschrittenen Qualitätskurve irgendwie zu befürchten.
Vor diesem Hintergrund ist Godspeed ein unausgegorenes Werk geworden, dass sich seiner inkonsequenten Entstehungsgeschichte folgend für keine klare Positionierung entscheiden kann und viele gute Ansätze bisweilen frustrierend vertändelt. Die Vermutung, dass hier doch mehr möglich gewesen wäre, wenn Allan einen unterstützenden (externen) Part zur Seite gehabt hätte, schwingt jedenfalls ständig mit.
Gerade der Einstieg nach dem redundanten Intro Parked Car (Exterior) – dem später noch das geradezu ärgerlich unnötige, weil so absolut deplatziert aus dem Nichts kommende Interlude Parked Car (Interior) mit seinen Psycho-Streichern folgen wird – beginnt vielversprechend, wenn Dive wie ein Nachhall von I Still Haven’t Found What I’m Looking For beginnt, sich dann aber doch eher für eine dunkel wummernde Synth-Wave-Ästhetik entscheidet, der den Editors zu In This Light And On This Evening-Zeiten nachtrauert und deswegen eine kristalline Dystopie-Orgel unter den atmosphärisch dichten Pathos schiebt, um entschleunigt zur Semi-Hymne gestriegelt zu werden. Der dunkle Bass in Dying to Live bekräftigt den grasierenden Postpunk-Vibe, die Keyboards erinnern an das erstes Horrors-Album. Glasvegas beginnen galoppierend zu poltern, doch führt die Aufbruchstimmung kompositionell nirgendwohin. Ein Schicksal, dass das nachfolgende Shake the Cage (für Theo) teilt, grundlegend aber noch mehr experimentiert: Das eine 80er Ästhetik verbreitende, von der Synth-Atmosphäre modulierte und mit verfremdetem Nachhall rezitierende Stück ist gefühlt eher ein Intermezzo, dessen sakrale Dramatik an Ulver erinnert, nur eben in der Luft hängend.
Danach wird Godspeed nicht unbedingt weniger homogen – dafür sorgt alleine die Stimme und Intonation von Allan – aber doch mit mindestens einem entwicklungstechnischen Schritt zurück zur angestammten Komfortzone eine inkonsistente Hit-or-Miss-Angelegenheit in der Straßenmitte, die niemandem wehtun wird. Keep Me a Space kommt nah an den Fensehgarten, den die Fratellis bespielen, in Cupid’s Dark Disco versteckt sich dank der verträumten Arrangements und der Melodie irgendwo ein erhebender Song, nur bekommen Glasvegas ihn nicht zu greifen. My Body Is a Glasshouse (A Thousand Stones Ago) macht seine Sache ein bisschen besser, weil sich die Nummer von der Klavierballade kommend ganz auf seine melancholische Ader und auch betörende Harmlosigkeit einlässt. In My Mirror ist ein komplett egaler Standard, der auch mit postrockigen Texturen nicht kaschieren kann, dass hier viel heiße Luft plätschert. Stay Lit wandert zwischen Akustik-Geplänkel und folkloristischer Zirkus-Erinnerung, verglüht jedoch komplett konsequenzfrei und der betont ruhige Einstieg des Titelsongs ist ein pragmatischer Closer, der natürlich vorhersehbar in das archetypische Wall-of-Sound-Finale umschaltet – nur keine solche Präsenz und Wucht entwickelt, die einen aus den Socken hauen würde. Ja, irgendwie scheint diesen kurzweiligen neun Songs unterwegs zum großen Befreiungsschlag ein bisschen der Mut, die Prägnanz und auch der Größenwahn abhanden gekommen zu sein. Damit kann man als Fan der ersten Stunden allerdings erstaunlich gut leben.
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