Hot Water Music – Exister

von am 15. Mai 2012 in Album, Reviews

Hot Water Music – Exister

Acht Jahre und einen Bandsplit später gelingt Hot Water Music der beinahe nahtlose Anschluß an alte Stärken mit einer neu gefundenen Selbstverständlichkeit. ‚Exister‚ ist weitestgehend die erhoffte triumphale Rückkehr geworden und hat nur eine Schwäche: es ist eine allzu aufdringliche Hitpalette geworden.

Erst acht – oder zumindest vier – Jahre für ein neues Album brauchen – und dann gar nicht erst lange fackeln. Umwege sind dem achten Hot Water Music Album, dem ersten seit der Trennung 2006 und der unvermeidlichen Reunion 2008 wahrlich fremd. Die inzwischen verstrichenen Zeit gar nicht weiter beachten und rein ins Getümmel: wo Ragan immer noch kehlig seine Melodien über die so markant gurgelnden Bässe von Black bellen kann, Wollard immer noch die Zweitstimme hat, für die andere Frontmänner töten würden und seine Gitarre dazu kreisen lässt, bis Rebelos präzise rumpelndes Schlagzeugspiel alles wieder einfängt. Soloausflüge und The Draft haben ihre knackigen Spuren hinterlassen, ‚Exister‚ ist dennoch so unverkennbar traditionell emotionaler Hot Water Music Punkrock der Post-‚No Division‚ Ära, hinter ‚Caution‚ und vor ‚The New What Next‚, so konsequent und ohne jedwede Schnörkel, wie man das von generell ambitionierten Reunion Platten sonst nur selten kennt.

Ambitioniert ist ‚Exister‚ natürlich. Vor allem im Bestreben nichts falsch zu machen. Die Rückkehr mit einem Knall soll es sein: „Seht alle her, was euch trotz all der Fackelträgern wie The Gaslight Anthem entgangen ist!“ Hot Water Music haben sich für ‚Exister‚ Zeit gelassen, nicht experimentiert, immer wieder ausgesiebt und letztendlich dreizehn Songs versammelt, die es allesamt nicht unter der Hymne, unter dem unbedingten Hit machen. In gewisser Weise sind Hot Water Music damit dort angekommen, wo sie wahrscheinlich schon mit dem allzu beliebig ins Straucheln geratenen ‚The New What Next‚ hinwollten. Hin zu überlebensgroßen Songs für die tätowierten Massen in ihren Karohemden, die sich die Gainsvill-Gang seit jeher verdient haben. ‚Exister‚ packt die Sache jedoch geschickter an, schmiegt sich nie zu zahm an, sondern praktiziert den hemdsärmeligen Rock geerdeter, in seiner emotionalen Kumpelhaftigkeit phasenweise sogar geradezu bierselig. Die Ärmel in der Strophe hochgekrempelt, im Refrain die Faust geballt und in die Luft gestreckt oder sentimental um die Schultern gelegt.

Das geht bis zum Titelsong nicht nur gut, sondern nahezu perfekt: ‚Mainline‚, ‚State Of Grace‚, ‚Drown In It‚, ‚Drag My Body‚; Ein Song ist eingängiger als der nächste, Hot Water Music fädeln die Killerhooks aneinander, als gäbe es nichts leichteres, als die eigenen Fußstapfen auszufüllen. Auch noch der Halbzeit kleckern die vier nicht mit proklamierten Livehighlights, die Hitdichte bleibt unverhältnismäßig hoch, doch mit dem Klotzen meinen sie es dann irgendwann doch zu gut: Refrains werden wieder und wieder und wieder und wieder aufbereitet, nicht nur ‚Take No Prisoners‚ oder ‚Exister‘ reiben sich innerhalb ihrer Spielzeit an der allzu hofierten Gefälligkeit. Hot Water Music berauben sich damitzugunsten des direkten Zugs zum Tor gefinkelterer Spielzüge. Ebenso souverän wie effizient, auf lange Sicht jedoch eventuell ein geradezu nervender Stolperstein: man muss sich ‚Exister‚ zu keinem Zeitpunkt verdienen oder erarbeiten, die Songs drängen sich förmlich auf.
An potentielle Abnutzungserscheinungen mag man angesichts der bombastischen Dichte an songgewordenen Comebackträumen freilich (noch) nicht denken. Es vergeht das Mosern, dass früher schon alles besser war, dass etwas mehr roher Schmutz am Soundbild fein gewesen wäre und ein paar Haken sicher drin gewesen wären. Alles egal. Weil es während ‚Exister‚ nichts schöneres gibt, als sich in diese ungezwungen hymnenhafte Eigendynamik zu verlieren, die Wollard, Black, Rebelo und Ragan entfachen. Sie kriegen einen wieder, immer noch, nach wie vor: man frisst der Band ihre griffen Riffs, ihre nickenden Rhythmen, ihre gröhlig harmonischen Backgroundchöre und ihre nostalgischen Ausflüge samt vollendeter Songwritingkunst förmlich aus den Händen. Da darf beim nächsten Mal ruhig wieder mehr vor den Kopf gestoßen werden.

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