Jack White – Fear of the Dawn

Nach dem grottigen Boarding House Reach beinahe ein Grund, um in Euphorie auszubrechen: die Formkurve der durchwachsenen Solokarriere von Jack White zeigt mit Fear of the Dawn erstmals nach oben!
Auf den Trümmern all der rohrkrepierend nach Aufmerksamkeit kreischenden Ideen des Vorgängers gönnt sich Fear of the Dawn einer gebliebenen Ambivalenz diesmal nur eine danebengehende Szene: Hi-De-Ho kippt seinen irgendwo beinahe doomigen Slo-Motion-Impro-Dadaismus in einen seltsam verspielt-albernen Jahrmarkt-Karussell-Singalong und schunkelt gerade im Rap-Part von Q-Tip (gar nicht unbedingt bemüht, aber enorm) aufdringlich und penetrant „Spaß machen wollend“ als hartnäckiger Ohrwurm über die blanke Nervenstränge zur Orientalik-Formoffenheit.
Over the top, klar. Paradox ist aber, dass die Clusterfuck-Skizze als markanter Ohrwurm die Balance aus Style und Substance im Ganzen seinen Platz findet und dabei auch schon aufzeigt, warum Fear of the Dawn den Hebel effektiver ansetzt, als sein Vorgänger.
Da baut Taking Me Back etwa auf ein gutes Riff und einen Groove um die schmissige Hook, was White wuchtig und schimmernd elektrifiziert abgezockt nach Hause spielt. Das simple Motiv geht dabei nahtlos in den hungrigen Zug des neonsinister knarzenden Bluesrock des Titelstücks über, das zwischen Funk-Tendenzen, gruseliger Psych-Theatralik und Grusel-Atmosphäre stampfend gespannt zum Get Behind Me Satan-Starkstrom The White Raven führt: die Rhythmussektion ist mal kräftig und massiv, die Gitarren dürfen präzise muskulös heulend übersteuern und liebäugeln dann wieder mit abgedämpfter Zurücknahme samt einer imitierten DIY-Sparsamkeit.
Die explosive Energie der Performance liegt dabei immer im Fokus, doch passiert dahinter der Spagat zwischen der Konzentration auf White‘sche Kernkompetenzen und dem Schattenspiel mit den Schrecken von Boarding House Reach, dessen Nachwehen für ausschmückende Facetten sorgen und das bruchstückhafte Songwriting auch in den austauschbarerem Momenten – wenn schon nicht interessant, dann zumindest – spannend halten, anstatt es tragen zu wollen.
Unausgegorene Einfälle tarnen sich so erfolgreich als originelle, progressive Ansätze und tatsächlich funktioniert die Power der Inszenierung halbwegs mitreißend, wirkt wie eine um Ihrer selbst Willen experimentell zerschossene Glam-Fuzz-Alternative zu Ty Segall im kaleidoskopartigen Stroboskop, bei dem Einzelteile instinktiv zu einem unterhaltsamen Unsinn verschraubt wurden.
Das fragmentarisch nicht zum Punkt findende Fragment-Kaleidoskop Eosophobia lebt als Segment-Gewebe vom Kontrast aus Dub und Classic Rock, Into the Twilight kleistert eine catchy gesampelte Hook an anstrengende Chipmunk-Motive und verziert dies mit einem 08/15-Standard-Riff und übermotivierten Effekten samt Orgel-Soul, bevor das unnötige Interlude Dusk zur eingängigen Repetition What’s the Trick? führt. That Was Then (This Is Now) lässt die Zügel regelrecht gut gelaunte auf der Party locker und Eosophobia (Reprise) probiert sich redundant am Firlefanz aus. Das am konventionellsten strukturiere Morning, Noon and Night stackst (ausgerechnet mit Duane Denison?!) als Kompromiss, der auch zeigt, wie schnell dem Songwriting ohne Weirdo-Ablenkung die Substanz ausgeht, bevor die gefühlvoll relaxende Sehnsucht Shedding My Velvet relativiert: der Produzent White weiß schon auch (wieder), was der Komponist Jack braucht.
Nicht alle zündet deswegen schlüssig – vor allem nicht außerhalb der (Produktions)Ästhetik der Platte. Doch funktionieren die Verrenkungen eben weitaus stimmiger als zuletzt an der Achse aus alten Stärken und Ambitionen einer alternativen Zukunft nach Boarding House Reach, wo der unverbindliche Jam aus ziellosen, nicht zu Ende gedachten Fragmenten den kurzweiligen Spin für eine so mutlos gestartete Solokarriere schafft.
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