Kurt Vile – (watch my moves)

von am 12. Mai 2022 in Album

Kurt Vile – (watch my moves)

Musik ist der Exorzist von Stress.“ sagt Kurt Vile, seines Zeichens längst der Zen-Meister des Indie-Slackertums, und nimmt mit (watch my moves) ein schaulaufendes Album auf, das niemandem mehr etwas beweisen muss.

Ich zähle mich zu den Glücklichen. Ich bin glücklich in meinen Songs, glücklich in meinem Leben. Ich schreibe Songs und zerstöre anschließend alle Beweise eine Anstrengung.“ Soviel spürbare Zufriedenheit ist dann zugegebenermaßen nichts, was auf den Erstkontakt aufregend wirkt oder Begeisterung hervorruft, sondern viel eher sogar ein bisschen gepflegte Langeweile in der altbekannt patentierten Vile-Lethargie hervorzurufen droht.
Freilich ist man nach acht ausfallfreien Alben, die der 42 jährige an der Achse aus Zuverlässigkeit, Routine und zwangloser Klasse mittlerweile für sich verbuchen kann, schlau genug, um (watch my moves) –  jedoch nicht vorschnell zu verurteilen, sondern dem von Rob Schnapf coproduzierten Werk die Zeit zu geben, um den Mehrwert einer mit 74 Minuten Gesamtspielzeit natürlich zu lange ausgefallenen Platte zu erkunden.

Denn sicher ist die Grundkompetenz von (watch my moves), die bekannten Trademark-Bewegungen von Vile zu verwalten und einen Ausgleich zu einer stressigen Zeit zu kreieren, in der Vile unter anderem mit Dinosaur Jr und seinem John Prine-Tribut schwer beschäftigt war, zudem auch noch Pläne mit den Sadies schmiedete. Flyin (Like a Fast Train) plätschert deswegen etwa exemplarisch gefällig einnehmend mit viel Charisma, unendlich relaxt den Dämmerzustand zwischen Indie, Slackertum, Singer Songwriter-Elementen, Folk, Country und Americana einfangend, wie man das seit mindestens vier Platten von Vile kennt.
Da begegnen die nonchalanten Hooks und Melodie wie zufällige Gefährten, absolut unangestrengt – und neuerdings auch noch gemütlicher und ruhiger als bisher. Und weil Vile die Vocals eingangs fast schon persiflierend am Western intoniert, darf manchmal gar David Duchovny als Assoziation herhalten. Dass (watch my moves) insofern doch auch ein bisschen eine Dad Rock-Platte geworden ist, soll aber nicht als Vorwurf, sondern als Kompliment verstanden werden: der älter gewordene Schuh, er passt einfach.

Durch die Pandemie habe ihn vor allem die insgeheime Sicherheit gebracht, dass er bereits einige starke Songs in der Hinterhand hätte, die es noch auszuarbeiten gälte, erklärte der Mann aus Pennsylvania vorab und irrt dabei nicht.
Ein Jesus on a Wire (das einzige Überbleibsel aus den Sessions mit Cate Le Bon klimpert und perlt besonders friedlich, klar und rein, wie ein Deep Cut eines vergessenen Klassikers) oder Cool Water (als hätten Wilco einen Tagtraum von Courtney Barnett, von einem alten Bekannten, dessen Vertrautheit nostalgisch macht und tröstet) gehören augenblicklich zum besten im Repertoire von Vile.
Der Rest wächst beständig. Mount Airy Hill (Way Gone) slided und heult dagegen ohne seine zurückgelehnte Haltung zu verlassen, Hey Like a Child knödelt wie ein ausgefranstes Jeff Tweedy- Stück, wirkt im Kontext aber fast knackig rockend von der Rhythmussektion angeschoben. Fo Sho lenkt das Spektrum mit subtil bratzender Gitarre zum Indierock und Chazzy Don’t Mind hätte anderswo eine Heartland-Ballade sein können – und hier eine wohlige Meditation als potentiell idealer Schlusspunkt in einem konsistenten, geschmeidigen Fluss.

Schließlich fühlt sich das letzte Drittel des Albums – mit dem Interlude (Shiny Things) beginnend und durch den ambiente Loop Kurt Runner aufgeblasen  – eher wie ein (zwar immer noch essentieller) Appendix an, der seine Qualitäten dann aber auf sich gestellt aufmerksamer machend entfalten hätte können. Das zügig und flott mit Retro-Lockerheit, Classic-Tendenz und Bandfeeling auftrumpfende Say the Word ist immerhin ebenso gelungen wie das gemächlich schippernde Bruce Springsteen-Cover Wages of Sin sowie die alle Zeit der Welt in Vergänglichkeit und Zeitlosigkeit übersetzende Melancholie Stuffed Leopard. das ist aber das Paradoxon der Kurt Vile’schen Kunst: Seine Songs(ammlungen) sollten dezitiert beschnitten werden und könnten abseits des aktiven Konsuns trotzdem gut und gerne auch ewig weiterlaufen, weil man sich so fabelhaft in die Stimmung verliert, wo all die Monotonie in der Coolness nicht langweilig wird, und Spannung mit kaum merklicher Sparsamkeit variiert werden.
E gibts neben Gastbeiträgen von Le Bon, Chastity Belt, Stella Mozgawa und Sarah Jones im Detail eben doch so einige Kleinigkeiten zu entdecken, Facetten, die einem ans Herz wachsen – gleich wenn Palace of OKV in Reverse auf einem 80er Synth-Plüschsofa in die zurückhaltende Psychedelik chillt beispielsweise oder Like Exploding Stones mit seinem sommerlichem Real Estate– meets-Beach House-Vibe, dessen milder Sonnenschein traumwandelnd begleitet, bis ein Saxofon in den irgendwo zwischen endloser Küstenstraße und Astralem Trip flanierenden Texturen heimlich um den fast krautigen Stoizismus schleicht.
Wenn man so will versteckt Vile mit dem Grower (watch my moves) auf Nummer Sicher gehend eben ein weiteren Hochkaräter vor aller Augen, vielleicht sogar sein bestes Album seit Wakin on a Pretty Daze (2013); er spielt mit offenen Karten und hat doch das eine oder andere Ass im Ärmel. Nur der Opener, das das überraschend luftig, verspielt und salopp am Klavier klimpernde Goin on a Plane Today mit seinen minimalistischen Bläsern und wogenden Backingvovals, bleibt dann ein einziger Bluff ohne Folgen.

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