Marching Church – This World is Not Enough

von am 21. Mai 2015 in Album

Marching Church – This World is Not Enough

Iceage-Frontmann Elias B. Rønnenfelt hat seine LoFi-Spielwiese Marching Church vom Soloprojekt kurzerhand zum „Rock Ensemble“ umgewandelt – und damit zum Auffangbecken für Songs, die gefühltermaßen nicht rechtzeitig für ‚Plowing Into The Field of Love‚ fertig waren. Das macht das  Debütalbum des neuformierten Kollektives zwar beileibe zu keinen schlechten Einstand, kann aber den sich aufdrängenden Vergleichen zum Kopenhagener-Mutterschiff nicht ganz standhalten.

Um es vorwegzunehmen: mit dem Sound der Homerecording-Veröffentlichungen wie dem ‚At Night‚-Tape hat ‚This World is Not Enough‚ nun nichts mehr zu tun, die stilistischen Leitfiguren heißen viel mehr wie bereits auf ‚Plowing Into the Field of LoveNick Cave, Birthday Party oder Gun Club, Rønnenfelt selbst bringt auch David Bowie oder James Brown ins Gespräch und sieht sich selbst „in a comfortable armchair, adorned in a golden robe, leading a band while a girl kept pouring me champagne when I required it.
Dieses Bild ist stimmig, denn dass Rønnenfelt im Zuge des gelungenen Umbruchs im Iceage-Kosmos von befürchteten Schreibblockaden gesprochen hat, erweist sich nun nicht einmal ein halbes Jahr später als haltloser Teufel an der Wand, streicht aber auch den gravierendsten Nachteil hervor, den die Marching Church-Endprodukte gegenüber den blutsverwandten Kompositionen der Stammband offenbaren: obwohl man ‚This World is Not Enough‚  keinesfalls als diktatorisch geführten Einstand sehen soll (sondern als Gemeinschaftsarbeit aus dem Konglomerat der Lower-, Puce Mary-, Choir of Young Believers– und Hand of Dust-Mitgliedern), mäandert die Platte auf Gesamtsicht doch zu oft orientierungslos hinter dem Leithammel Rønnenfelt umher, hat weniger deutliche Ziele im Visier und liebäugelt beizeiten gar zu unverbindlich mit dem Müßiggang.

Acht Songs lang frönen Marching Church so nach eigenen Angaben der Improvisation, klingen dabei aber eher, als würden sie im Rausch der Unfertigkeit eine ebenso nihilistische wie exzentrische den Kater nach der Party feiern, genusssüchtig und arrogant, hier und da verloren in den sich auftuenden Möglichkeiten, die melodieselige Zugänglichkeit will man nie konsequent beim Schopf packen.
Im maschinell rollenden Opener ‚Living in Doubt‚ werden deswegen giftige Postpunk-Spannungen aufgebaut, aber niemals aufgelöst, sondern kurz nach einem irritierend ereignislosen Verpuffen lieber mit dem legeren ‚King of Song‚ konfrontiert, einem funky-schiefen Popsong mit heulenden Vocals, groovenden Bass und freundlicher Bläsersektion.
Hungry for Love‚ kämpft sich danach aus einer satanisch geflüsterten Beschwörungszeremonie ala Mike Patton zum gar nicht so lüsternen, aber tatsächlich ausgehungerten Liebesgeständnis, während ‚Your Father’s Eyes‚ über knapp die Hälfte seiner achtminütigen Spielzeit atmosphärisches Geplänkel bleibt, bevor man sich zum beinahe romantischen Stehblues aufrafft. ‚Calling Out a Name‚ positioniert sich dagegen inmitten von schizoidem Schlachtfeld und besoffenem Kinderlied, ‚Every Child (Portrait of Wellman Braud)‚ verstört als aufmüpfiger Mix aus hibbelig latschender Pianoballade und unmotivierter Jazz-Parade und ‚Up a Hill‚ ist eine drogenschwangere Stimmungsreferenz an Warren Ellis samt Americana-Delirium – und im sich ständig verdichtenden Soundgewand auch Sinnbild der sich gerne ähnelnden Strukturen der einzelnen Stücke.

This World is Not Enough‚ ist dabei zwar stets faszinierend und lasziv anziehend, agressiv driftend, aber auch unentschlossen bis zur Frustration, niemals vollends zu Ende gedacht: Rønnenfelt  kommt nur atmosphärisch und stimmungstechnisch dort an, wo er hin möchte, lässt die eigentlichen Songs aber zu sehr zwischen all ihren Eckpunkten schleifen, dem manischen Fluss fehlt der unberechenbare Zorn und die Griffigkeit der schlichtweg stärkeren und so ähnlichen Iceage-Nummern.
Dass der Däne die Platte letztendlich mit einem Cover von James Carr’s ‚Dark End of the Street‚ beendet ist da nur schlüssig, weil Marching Church ihre Interpretation einnehmend schlapfend und müde spielen, ihr jegliche Vitalität entzogen haben und den Soul-Klassiker mit trübseligen Trompetenklängen todesmüde zu Grabe tragen: auf derart herrliche Weise kaputt klingt derzeit einfach sonst niemand. Zurück bleibt dabei allerdings mehr als alles andere ein unbefriedigendes Gefühl von ungenutztem Potential, vor allem angesichts der Tatsache, dass Rønnenfelt trotz der lose gehaltenen Zügel der noch einmal gesteigerte Zug zur Melodie, zum Pop durchaus entgegenkommt. Nur wirkt es auf ‚This World is Not Enough‚ so, als würde er diesen im Iceage-Kontext mit strafferem bandgefüge einfach formvollendeter umsetzen können.

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