Marissa Nadler – July
Für gewöhnlich sitzt Randall Dunn bei Bands wie Sunn O))) oder Wolves in The Throne Room am Produzentenstuhl. Dass er sich nun dem sechsten Album von Marissa Nadler angenommen hat mag nun zwar den Level der offenkundig lärmenden Direktheit seiner Arbeitsmappe herunterschrauben – definitiv aber nicht jenen hinsichtlich der emotionalen Katharsis.
Auf ‚July‚, dieser absolut sommerfrischeresisten und lichtscheuen Platte kommt für Nadler zusammen, was vielleicht immer schon zusammenkommen musste: in den Staaten ist die 32 jährige einerseits auf Sacred Bones Records gelandet – und das passt alleine aufgrund des Labelkollegenspektrums von Zola Jesus bis Pharmakon. Als nächste essentielle Zündstufe für das immer überdurchschnittliche Schaffen Nadlers erweist sich dann andererseits und vor allem die auf den ersten Blick irritierende Zusammenarbeit mit Dunn, der ‚July‚ als entrücktes Kammerspiel zwischen unaufdringlich-feenhafter Singer-Songwriter-Kunst und mondlichtrauhen Folkjuwelen inszeniert, dabei vor allem auf die stimmungsvolle Ausstattung im Hintergrund achtet.
Zumeist bestehen die 11 Songs dabei aus Nadlers betörend schwebender Stimme, die sich hin und wieder auch als ihr eigener gespenstischer Backingchor begleitet und einer melancholisch gezupften Akustikgitarre: hier und dort lodert sparsames Orgelfeuer, verträumte Pedal Steel Sprengsel deuten wärmende Country-Einflüsse an, gelegentlich taucht genügsame Percussion auf oder flirrende Soundcapes entpuppen sich als engelsgleiche Unterwasserstreicher. Oberflächlich betrachtet ist das alles auf trügerische Weise schmeichelweich und auf entblösende Weise elegant, dahinter singt Nadler aber davon wie Blätter sich dem zyklischen Sterben hingeben (‚Firecracker‚), trauert Beziehungen nach („But some things never change/ You’re still missing from my dreams/I call to you from another century/To see you, the world had been kind and sweet/ And it really seems that the shadows/Have stopped following your every beat
Baby come back to me“) oder vergeht in Reue („All the years that I’ve held you close/ You should’ve been anyone else, I know„) und Einsicht („Sometimes the night brings me back to you/ And I look at the time spent wasted on you/ What a lie you were living then/ You could’ve been somebody’s better side„). Marissa Nadler bleibt über 47 Minuten gerne vage, versichert aber: man kann an Einsamkeit oder gebrochenen Herzen sterben.
Wenn sich im anmutigen ‚Dead City Emily‚ für sekundenbruchteile 80er Keyboards anmelden, aus dem schwer atmenden Blues ‚Was it a Dream‚ letztendlich der am direktest formulierte Westernrockaugenblick des Albums freischwimmt, ‚Holiday In‚ versöhnlich tröpfelt oder ‚Nothing in my Heart‚ (großartig: „Maybe it’s the weather/ But I got nothing in my heart„) als Pianoballade in Kenterstimmung entlässt, sind das nuancierte Feinheiten im Klanggewand und doch auch markante Akzente im gängigen Muster: ‚July‚ ordnet seine kohärenten Einzelteile bis zur Selbstaufopferung und einer gewissen Gleichförmigkeit der intensiven und dicht gespannten Atmosphäre unter. Beileibe keine schlechte Sache angesichts der sich auftuenden Sogwirkung; weil Dunn als Meister der dezenten Arrangementinszenierung die in tiefster Depression schwelgenden Geisterzimmer dennoch ohne Monotonie ausstattet; und vor allem, weil Marissa Nadler mit diesen gleichermaßen bittersüß trostlosem und wunderschön melancholisch perlenden Elegiewerk ein neues mysteriöses Lieblingsalbum für all jene aufgenommen haben könnte, denen Grouper–Girl Liz Harriz in all ihren unwirklichen Facetten bisher zu wenig griffig, Joanna Newsom zu quietschend und Julia Holter zu kunstvoll waren.
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