Modest Mouse – Strangers to Ourselves

In den acht Jahren seit ‚We Were Dead Before the Ship Even Sank‚ hat sich bei Modest Mouse merklich einiges angestaut. ‚Strangers to Ourselves‚ wird deswegen zu einer Comeback-Platte, die zwischen Vergangenheitsbewältigung der 00er-Jahre und vage angerissenen Zukunftsaussichten tändelt, dabei aber vor allem auf die erhofft markerschütternde gegenwärtige Standortbestimmung vergisst. Mehr als ein gewisser Fokus fehlt dem souveränen Treiben jedoch die richtige Produktion.
Während der Nachfolger zu „The Golden Casket Vol. 1“ der nicht untätig gewesenen Modest Mouse also bereits in den Startlöchern zu stehen scheint, ist ‚Strangers to Ourselves‚ gar nicht unbedingt das (neuerliche) Nummer-Sicher-Album geworden, das Vorabsingles wie das mit ‚The World at Large‚-Gedächtnis-„Bababa„s stolzierende ‚Lampshades on Fire‚ in Aussicht gestellt haben, sondern eine von Vorliebe zu Vorliebe springende Wundertüte.
‚Shit in Your Cut‚ ‚3‘ poltert da schon früh mystisch zurückgezogen als intimer Highlightmoment mit hintergründiger Agenda, ‚Ansel‚ entspannt zu Steel Drum-Klängen und ‚Sugar Boats‘ will sich nicht zwischen Tom Waits-Verneigung und elektrifizierten Rock-Exzess am Jahrmarkt entscheiden: typischer Modest Mouse-Indierock, überwiegend im rein positiven Sinn. Zu keinem Zeitpunkt ist ‚Strangers to Ourselves‚ aber schöner als im melancholisch gestrichenen Titelstück-Opener – höchstens im psychedelisch träumenden Schlusspunkt ‚Of Course We Know‚ oder im schüchtern schunkelnden, seinen Refrain aber groß aufmachenden ‚Coyotes‚.
Zwischen sehr viel (liebgewonnenen) Indie-Altbewährtem trauen sich Modest Mouse gelegentlich aber auch durchaus kleine Wagnisse und Rückblicke zu. ‚The Tortoise And The Tourist‚ lehnt sich etwa an ‚The Moon & Antarctica‚ an, während ‚Be Brave‚ ein wütendes Update von ‚March into the Sea‚ zu sein versucht. Das 90 sekündige, abseits seiner Titelzeile ohne Inspiration galoppierende ‚God Is An Indian And You’re An Asshole‚ brauchen wohl nicht einmal jene Langzeitfans, für die das verhinderte Interlude wohl gedacht ist.
Zum hibbelig hüpfenden ‚The Ground Walks, With Time In A Box‚ könnte Isaac Brock dagegen problemlos das Video zu ‚Murder of The Dancefloor‚ nachdrehen, stünde er sich mit zu markant gespielter Gitarre und elaboriertem 2-Minuten-Instrumental-Abgang nicht frohlockend selbst im Weg. ‚Wicked Campaign‚ schlafen irgendwo zwischen Arcade Fire, den Killers und Shins auf halben Weg zum Synthiepop die Füße ein und ‚Pistol (A. Cunanan, Miami, FL. 1996)‚ dürfte mit wirren Stimmeffekten und bouncendem Hip Hop-Gestus in der Disco das vielleicht polarisierendste Stück sein, das Modest Mouse bis heute aufgenommen haben – ist das potentielle Ween-Tribut etwa ein Schatten der Zusammenarbeit mit Big Boi?
Seine vorgezeichnete Aufgabe als entgegenkommender Fanpleaser will ‚Strangers to Ourselves‚ eben nicht zu jedem Zeitpunkt erfüllen, spielt seine Karten zwischen zahlreichen zuverlässigen Standards aber ungeachtet der subjektiven Präferenzen gerade in diesen vorsichtig eingestreuten experimentelleren Phasen außerhalb der erschaffenen Komfortzone (in der man als nach der langen Abstinenz unter Entzugserscheinungen leidender Anhänger doch wieder nur zu gerne willkommen geheißen wird) am nachdrücklichsten aus.
In Summe ergibt sich so ein durchaus ambivalentes Gesamtbild. Teils liegt das daran, dass ‚Strangers to Ourselves‚ um einen Tick zu ausführlich ausgefallen ist (‚Pups To Dust‚ ist beispielsweise kein Ausfall – hinterlässt nur keinerlei anhaltenden Eindruck); teils daran, dass die Platte auf tatsächlich herausragende – magische! -Einzelsongs nahezu komplett verzichten muss (in gewisser Hinsicht haben die Singles also durchaus einen adäquaten Vorgeschmack geliefert), in seinem abwechslungsreichen Fluss allerdings doch über beinahe volle Distanz kohärent und kurzweilig zu unterhalten weiß: Modest Mouse haben offenkundig immer noch Spaß an dem, was sie tun. Übersprudelnde Leidenschaft hört sich hingegen anders an. Äußerst paradox, das alles.
Dass die Platte hinten raus zudem Ermüdungserscheinungen zeigt, liegt dann aber auch an der dumpf auf den Putz hauenden, kaum variable Reichweiten anbietenden, undynamischen und sauber aufgeräumten Produktion, die zwar Raum für viele Details lässt, ohne Hunger Ecken und Kanten trotz zahlreicher instrumental kniffliger Inszenierungen jedoch auspolstert: da kann das im Grunde zu jedem Zeitpunkt (zumindest) souveräne Songwriting schon mal seltsam kraftlos und zu gleichförmig wirken. Der das Album durchziehenden Grundthematik (das Arschloch Menschheit gegen sich selbst und die Natur) wird so auch eher eine versöhnliche, denn vor Energie strotzdende Bühne geboten, auf der Brook zudem lyrisch nicht mehr so gefinkelt giftig wirkt wie einst.
Ob sich ‚Strangers to Ourselves‚ ähnlich gut halten wird wie seine Vorgänger darf deswegen auch bezweifelt werden und wird sich wohl frühestens anhand von „The Golden Casket Vol. 2“ zeigen. Zumindest für den Moment überwiegt allerdings eindeutig die Wiedersehensfreude mit einer immer noch vital klingenden, aber mittlerweile eben vor allem verdammt routiniert agierenden Lieblingsband.
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