Natalie Prass – The Future and the Past
Natalie Prass wirft den eigentlich anvisierten Nachfolger zu ihrem selbstbetitelten Debüt angesichts der politischen Lage in Amerika kurzerhand für die Revolte über Bord. Doch Überraschung: The Future and the Past artikuliert seinen Unmut über herrlich leichtgängigen Disco-Pop, gebaut aus schmissigen Funk und Soul.
Nachdem sich Prass 2015 mit einem eher im kammermusikalischen Baroque-Pop verankerten Einstand vorstellte, war die stilistische Entwicklung, die die 32 Jährige (samt ihrer mit organischer Lässigkeit von den 60ern in die 80er tänzelnden Band und dem wie immer kongenial aufzeigenden Produzent Matthew E. White im Hintergrund) für ihr Zweitwerk vollzogen hat, zumindest nicht unbedingt abzusehen.
Zumal abgesehen von Prass‘ zauberhafter Stimme und ihrer bittersüß-beruhigenden Poesie nur noch wenige Szenen unmittelbar an das phasenweise opulente Wesen ihres Debüts erinnern.
Etwa das perkussiv-jazzige Hot for the Mountain, mitsamt seinem pummeligen Bass und entspannt unterschwelligen Lounge Piano – primär jedoch wegen der traumhaften Märchenarrangements der Streicher Whites. Oder das eindringliche Lost, eine ergreifende Ballade mit melodramatischer Größe, dessen Leidenschaft die Dame aus Cleveland ohne Selbstmitleid mit majestätischer Anmut zelebriert. Und natürlich Far From You, diese vor altmodischen Kitsch zerlaufende Klavierballade für Disney-Schmachtfetzen in Schwarz/Weiß.
Abseits davon aber hat Prass ein Album aufgenommen, dass gleichzeitig einlöst, was HAIM mit Something to Tell You nicht zustande gebracht haben (nämlich: Eine Stafette an entwaffnenden, sympathischen Pop-Ohrwürmern abzuliefern) und sich tatsächlich in erstaunlich unmittelbarer Nähe zu Janelle Monáes schmissigen Funk-Wundertüte Dirty Computer positioniert, allerdings dessen sloganhafte Frontalität, Schweiß und Sex mit einem subversiv-bescheidenen Fokus auf intimere Gesten und dem Funken Romantik umsetzt. Selbst Szenen der größten Dramatik passieren auf The Future and the Past mit einer eleganten Zurückgenommenheit, viel verletzlicher Nahbarkeit und Understatement. Prass könnte anhand der versammelten 46 Minuten auch die launige Diva hinaushängen lassen – stattdessen pflegt sie eine sportliche Naivität, oder eher: unaufgeregte Schüchternheit!, in der Niedlichkeit nicht mit Harmlosigkeit zu verwechseln ist.
Wenn sich das im Gemeinschaftsgefühl getragene Sisters jedenfalls mit vollem Elan in den Soul lehnt, kann man sich gut vorstellen wie sie alle hinter Prass stehen: „I wanna say it loud / For all the ones held down / We gotta change the plan / Come on nasty women / So all the bad girls here / Let’s make that clear / And we’ll say it fast / We’re world wide world class/…/ You gotta keep your sisters close“ singt die Amerikanerin inmitten eines lässigen Backingchores und destilliert den Zeitgeist zur absolut nicht hüftsteifen Party.
Da stacksen die Gitarrenlicks dann zum frischen Rhythmus in Oh My, feiert Short Court Style mit Handclaps die eigene Unaufdringlichkeit oder will das fantastisch inszenierte The Fire gar nicht mehr aus den Gehörgängen verschwinden. Gut, hinten raus geht der Platte um das leger mit Verve in der Liebe schwelgende Never to Late, dem nett pulsierenden Nothing to Say sowie dem gefällig groovenden Schlusspunkt Ain’t Nobody im Vergleich zu den catchy-zwingenden Kalibern in der ersten Hälfte ein klein wenig die markante Luft aus.
Was bei all den kurzweiligen Hits aber auch über das Finale hinaus erst so gar nicht auffallen mag: Wo Natalie Prass zwischen vielen anachronistischen Schönheiten eben auch überragende Ausnahmesongs wie It is You, Bird of Prey und vor allem das zeitlos brillante My Baby Don‘t Understand Me geschrieben und mit einiger Vorlaufzeit verfeinert hatte, streckt sich The Future and the Past niemals restlos zu derart magischen Höhepunkten und balanciert sich eher auf hohem Niveau aus, ohne Unsterblichkeiten.
Ein Preis, den Prass für ein derart entwaffnendes, intuitiv aus der Hüfte kommendes Momentum aber offenbar bereitwillig zu zahlen bereit war. Eine Entscheidung, die man auch als Hörer ansatzlos goutiert.
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