Ozzy & Friends [26.06.2012 Stadthalle, Wien]

von am 27. Juni 2012 in Featured, Reviews

Ozzy & Friends [26.06.2012 Stadthalle, Wien]

Tony Iommi ist an Krebs erkrankt, Schlagzeuger Bill Ward wieder einmal  im Zorn aus der Band geschieden. Aus der groß angekündigten Black Sabbath Reunion ist im Vorfeld längst „Ozzy & Friends“ geworden: eine Osbourne-Soloshow, mit Zakk Wylde, Slash und dem übrig gebliebenen Geezer Butler als Gästen. Bei soviel Starrummel auf der Bühne trotzdem die interessanteste Frage für viele: Ist der Fuckin Prince of Darkness fit genug dafür?

Angesichts der jüngsten Absage in Mannheim waren Gedanken rund um die Verfassung des Madman jedenfalls nicht vollends aus der Luft gegriffen. Nostalgisch machende fünf einleitende Konzertminuten, in denen ein Best-Of Zusammenschnitt von Ozzy vor der folgenden Best-Of Show auf einer gigantischen Videowall gezeigt werden, machen die Sorgenfalten nicht weniger, heizen paradoxerweise aber doch die Stimmung an. Und vierzehn – auf dieser Tour gebetsmühlenartig bis zum letzten Solo bei jeder Station (bis auf Mannheim natürlich) wiederholte – Songs später ist es dann zumindest klar : Ozzy ist so gut in Form, wie es ein 63jähriger, vom Leben, Exzess und Metal gezeichneter Mann wahrscheinlich noch sein kann: da schlurft der Engländer schwerfällig von einem Ende der Bühne zur anderen, hat seinen Spaß dran, eimerweise Wasser (steht dafür bereit, muss er nicht zweckentfremden) in die ersten Reihen zu kippen, wenn die gigantische Schaumkanone, die er mit sich führt (!) mal nicht bei der Hand ist – und an den Mikroständer geklammert deuten sich gar so etwas wie Hüpfbewegungen an. Obwohl sich dazu  unzählige Zitate („Let Me See Your Hands!„, „I Can`t Hear You!„) aus dem Handbuch der Konzertplattitüden gesellen und Ozzy selbst für Ozzy-Verhältnisse verdammt oft (vor allem bei dem nicht geschrienen Momenten) an den Tönen vorbeisegelt, hat das trotzdem wenig von der Freakshow, die nicht zuletzt The Osbournes drei Jahre lang von der Metallegende gezeichnet haben.

Dafür ist das Drumherum aber auch zu perfekt durchgeplant: Ozzy´s aktuelle Tourband spielt die Hardrocksongs seiner Solokarriere virtuos und leicht steril gen aktuellen Metal gerückt. ‚Bark at the Moon‚ geht so unvermittelt in die Vollen, die ersten Feuerwerke werden auf der Bühne gezündet und die Stimmung steigt. Vier weitere Songs aus der Solophase folgen, Ozzy animiert nach verbliebenen Leibeskräften, wirkt wie ein kleiner Junge, der wohl tatsächlich Freude an dem massentauglichen Metalzirkus hat, bevor sich die Band erstmals wie angekündigt an Black Sabbath heran wagen: ‚Rad Salad‚ dauert auf Platte knappe zweieinhalb Minuten, hier dürfen es gute zehn Minuten sein, ist der Song doch eine Steilvorlage: Adam Wakeman weckt aus seinem Keyboard 80er-Klänge, Rob „Blasko“ Nicholson holt sich als Wirbelwind am Bass Aufmerksamkeit, während Kostas Karamitroudis alias Gus G und Tommy Clufetos ihre schweißtreibenden Künste anhand exaltierter Soli kund geben dürfen, während Ozzy von der Bühne verschwindet und sich mit dem Fokus auf Sabbath auch der erste Besetzungswechsel auf der Bühne ankündigt.

Die beiden jungen Saitensöldner werden durch die im direkten Vergleich geradezu mit inszenatorischen Understatement glänzenden Ur-Sabbath Tieftöner Geezer Butler und den leicht aufgeschwemmten Ex-Guns N’Roses Voodoomagier Slash ersetzt und ballern ein 1970er Triumphtrio aus den Instrumenten: ‚Iron Man‚ will seine Gitarrenlinie besungen wissen, ‚N.I.B.‘ rückt den Techniker Butler trotz gewöhnungsbedürftigen Sound ins rechte Licht und ‚War Pigs‚ kann sich eine ärgerliche Doppelung auf Ozzys Stimme nicht verkneifen. Freilich ist das mehr nostalgische Verneigung als Auflebenlassen vergangener Größe, allerdings eben auch unterhaltsam und stimmungsfördernd. Und dass man in dieser Hinsicht doch auch vieles suboptimal machen kann, zeigt sich spätestens, als Slash für Ozzys musikalischen Ziehsohn Zakk Wylde Platz macht und dieser frenetischen Applaus erntet. Nicht zu Unrecht, eröffnete dieser mit seinen runderneuerten Black Label Society nach der Wiener Institution Alkbottle doch fulminant den Abend: Eine gute Dreiviertelstunde ließ der Axtmeister seine Künste walten, irrsinnig druckvoll und in bester Spiellaune, mit Federschmuck und großer Geste. Dass wohl nicht wenige allein für Wyldes Band zum Konzert pilgerten, darf nicht zuletzt aufgrund der Publikumsreaktionen angenommen werden: Zwischen ausufernden Solo und unheimlich tighter Showperformance zementierte die Black Label Society jedenfalls ihren Ruf als nahezu unfehlbare Metal-Macht.

Dass Wylde der Sabbath-Verneigung weniger Nutzen als Schaden würde, hätte angesichts der wenig zurückhaltenden Spielweise Wyldes allerdings auch irgendwo klar sein können. Wylde domptiert seine Gitarre mittlerweile so, dass sich alle von ihm gespielten Stücke blind zuordnen lassen können, allerdings eben untereinander aber auch verdammt ähnlich klingen: Jede Lücke an Riffenden wird für den heulenden Nachsatz genützt, was ‚Fairies Wear Boots‚ dann auch viel zu sehr Richtung „Black Label Society covern Black Sabbath mit Ozzy am Mikro“ rückte – vom archaischen Sound des Originals ließ der amerikanische Hühne jedenfalls kaum mehr etwas über. Inwiefern sich die wiedervereinte Originalband heute an dem Material an dem unsterblichen Material versucht hätte, bleibt in dieser Ausführung jedenfalls leider Fantasiegedanke. Für den Ozzy und Erfüllungsgehilfen keine Zeit haben. Butler verschwindet für Blasko, drei Songs lang steht wieder Ozzy-Solo im Vordergrund – mit ‚Crazy Train‚ und ‚Mama I´m Coming Home‚ gar als abschließenden Hitfeuerwerk. Da wird mitgesungen und applaudiert, für das große Finale dann alle anwesenden Handwerker auf einmal zum Stelldichein auf die Bühne zitiert.

Paranoid‚ wird deswegen von einem E-Pianisten, einem Schlagzeuger, einem Ozzy, zwei Bassisten und drei Gitarristen energiegeladen niedergewalzt, in der jeder nochmal mit Schmackes sein Können zeigen darf. Mehr geht nicht, Zugabe gibt es deswegen auch keine, stattdessen aber das unselige ‚Dreamer‘ aus der Konserve, während die Lichter angehen und die ausverkaufte Stadthalle sich zu leeren beginnt. Inwiefern das gebotene High-End Spektakel tatsächlich ein würdiger Ersatz für die abgesagten Sabbath Konzerte geworden ist, darüber darf ebenso spekuliert werden, wie ob und inwiefern wirklich schon wieder eine plötzliche Erkrankung an Ozzys stimmlichen Problemen und seinem stellenweise orientierungslos inszenierten Entertainmentprogramm Verantwortung tragen. Als der Prince of Darkness tattrig von der Bühne schlapft, weiß man jedenfalls nicht sicher, ob das ironische Selbstparodie oder trauriger Clown oder beides in einem sein soll. Außer Frage steht hingegen, dass die Immense Portion Neuzeitmetal den Sabbath-Klassikern tatsächlich nicht nur gut getan hat. Das Kunststück, kaum jemanden wahrhaftig Unzufrieden aus der Affäre entlassen zu haben, scheint Ozzy jedoch trotzdem irgendwie geglückt zu sein.

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