Palms – Palms

von am 26. Juni 2013 in Album

Palms – Palms

Wenn drei Fünftel der vielleicht besten Post-Metal-Band der letzten Jahre gemeinsame Sache mit der markanten, unfehlbaren Stimmen der Deftones machen, schreit das von vornherein nach Gipfeltreffen, Supergroup und dem potentiellen Album des Jahres. Und dann klingt ‚Palms‚ auf den Erstkontakt hin ernüchternd nach Isis B-Seiten mit einem allzu gleichförmig leidenden Chino Moreno in der Hauptrolle.

Am Ende liegt die Wahrheit wohl zwischen den Polen dieser Extreme, denn ‚Palms‚ gewinnt mit jedem folgenden Durchgang langsam aber beständig an Qualität, untertaucht die Latte der Erwartungen bedächtig und ohne Eile. Dass Palms die in sie gesetzten Hoffnungen notgedrungen unterschreiten mussten, hätte man sich eigentlich ausmalen müssen. Gerade weil es in Stein gemeißelt scheint, dass Chino Moreno praktisch alles was er anpackt (†††, Deftones, Team Sleep) in musikalisches Gold verwandelt und die Gottgleichen Isis sich zwar nicht am Zenit verabschiedet haben, aber trotzdem weit über dem Niveau (nahezu) aller anderen Post-Metal Bands da draußen den Stecker gezogen haben.
Unter diesen Voraussetzungen konnte, sollte und durfte praktisch nichts schiefgehen. Tut es letztendlich auch nicht. Zumindest fast, denn die Produktion des ersten ‚Palms‚-Albums bleibt irritierend seicht und kraftlos. Darüber hinaus aber erweisen sich die kurzweilig gehaltenen 47 Minuten als immense Grower, die gar nicht mit den utopischen Vorstellungen mithalten können müssen, um Chino-Fans gleichermaßen zu erreichen wie Isis-Anhänger in zumindest wohlige Nostalgie verfallen zu lassen.

Palms‚ drängt seine Qualitäten allerdings nicht auf. Wie hier ohnedies über allem ein unkonkreter Schleier zu liegen scheint, viele wage Ahnungen ins Visier genommen werden und nur wenige Momente in den sechs Songs wirklich zupacken, Zähne zeigen und sich querstellen. ‚Palms‚ klingt weitestgehend, wie man sich das anhand seiner Schöpfer bereits im Vorfeld ungehört ausmalen konnte – nur eben zurückgelehnter, unaufgeregter, in sich gekehrter. Auch weniger spektakulär. Selbst wenn Palms die Zügel lockern, finden sie eher elegischen Schönklang, brutale Ausbrüche und heavy Riffs sind nicht das Ding von Jeff Caxide, Aaron Harris, Bryant Clifford Meyer und Chino Moreno.
I think a lot of people are expecting this to sound like Isis with Chino singing. That’s not what this is, because that’s not exciting.“ lies Caxide vorab verkünden. Das ist natürlich nicht ganz richtig (die Gitarrenarbeit klingt so sehr nach Isis wie nichts seit ‚Temporal‚, Chino zieht dazu sein schmachtendes Ding durch – wenn auch deutlich weniger variabel als gewohnt), stimmt aber trotzdem zumindest insofern, dass Palms eine andere Grundstimmung kreieren, alleine rhythmisch nie derart kraftvoll zupacken wie die (ehemaligen) Stammbands der beteilgten Musiker und sich die vorhandene Sogwirkung der Platte auf subtilerem Weg manifestiert.
Palms‚ wirkt über weite Strecken viel eher als Mischung aus Isis und Team Sleep, welche die Vorliebe von Moreno für Elektronik anhand verhuschter Hintergrundbeats in besänftigte Songs packt, die unter weitläufigen Gitarrenseen mäandern, und die Kompositionen hinten raus gerne in shoegazige Ambientausklänge verfallen lassen, die keinen Hehl aus ihrer Liebe zum Drone machen.

When we were writing these songs, I was coming up with ideas that I would never have presented to Isis. I don’t want to call this ‚pop music,‘ but it’s more in that vein than anything I’ve ever done.“ erklärt Caxide weiter. Kann man so stehen lassen. Was in erster Linie an Morenos zugänglichen, sphärisch dargebrachten Gesangsmelodien liegt, welche die restliche Band immer wieder dazu animiert, ihre Spannungsbögen zwar breit auszudehnen, vor allem in den Chorus-Teilen aber doch eine griffige Annäherung in Richtung Eingängigkeit zu wählen.
Freilich alles relativ: Palmes spielen verträumt agierenden, betörenden und phasenweise geradezu unscheinbaren Post-Rock-Metal, der stets wenige Meter unter der Meeresspiegel zu schweben scheint, zwischen der Ahnung einer finsteren Abgründigkeit und der Wärme der letzten durch die Wasseroberfläche brechenden Sonnenstrahlen. Am markantesten reduzieren Palms die Ereignisse in ‚Antartic Handshake‚: das Quartett nimmt am Ende alles Tempo aus der Platte, der Rhythmus pluckert schwebend, ein zurückgenommener Trip ins Unterbewusstsein entsteht, dem man sich erst öffnen muss, forciert wird hier nichts. Der vermeintliche Ausbruch nimmt nur kurz Schwung, weht ‚Palms‚ dann jedoch ohne Mühen in die ungewisse Zukunft der Formation.

Alleine aufgrund der Zuspitzung derartig unverbindlicher Atmosphäre-Pfeiler muss das Debütalbum der vermeintlichen Supergroup zwangsläufig polarisieren. Am unmittelbarsten zündet ‚Palms‚ dagegen, wenn Moreno und Co. sich nicht nur treiben lassen, sondern den Härtegrad unter den perlenden Gitarrenflächen anziehen: im überragenden ‚Mission Sunset‚ etwa, wenn Palms aus der aufgebauten, schleichenden Schönheit aufbrechen, Chino aus sich herausgeht, Zähne zeigt und ‚Rosemary‚ vom weitaus zwingenderen letzten Deftones-Album ‚Koi No Yokan‚ in friedvolle, harmonischere Extreme zieht, ohne die Durchschlagskraft des seelenverwandten Songs anzupeilen. Oder wenn das uferlose Klangmeer ‚Shortwave Radio‚ plötzlich untertaucht, durch das Wasser jagt, und immer bedrohlicher werdend und kurz vor den Untiefen der letzten The Ocean Großtat ‚Pelagial‚ endet.
Das Artwork und die Songtitel zeichnen dabei ein durchaus stimmiges Bild: Chino Moreno und die drei Ex-Isis Musiker  inszenieren idyllischen Metal für die melancholische Kreuzfahrt von den Tropen in antarktische Gefilde.

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