Parkway Drive – Reverence

von am 22. Mai 2018 in Album

Parkway Drive – Reverence

Paradigmenwechsel in Australien – koste es, was es wolle: Parkway Drive wollen nicht mehr nur der größte Name im Core-Zirkus sein und spielen auf Reverence deswegen konsenstauglich aufgeblasenen Metal für die Stadien der Welt.

Ich wollte kein weiteres Metalcore-Album schreiben. Nicht noch eines, kein Interesse. Ich hatte die Schnauze voll, ich war durch damit.“ erklärt Jeff Ling den markant-polarisierenden Evolutionsprozess, den Parkway Drive auf ihrem sechsten Studioalbum endgültig hin zum Massenmarkt vollziehen. Ein Grundgedanke, den man an sich ja durchaus goutieren darf. Immerhin tat schon dem okayen Ire das Bestreben tendentiell gut, die Band aus dem reinen Metalcore weiterzuentwickeln, sich stilistisch zu öffnen.
Die so von der Basis endgültig wegschmarschierenden 44 Minuten von Reverence stellen nun allerdings  primär Puristen vor gravierende Probleme, böse Zungen sind da schnell bei der Hand: Reverence führe vor, wie es klingt, wenn eine Band gezielten Ausverkauf betreiben will, die eigenen Fähigkeiten aber nicht für die kommerziell angedachte Prostitution ausreichen oder adäquat eingeschätzt werden.

Was nur zum Teil stimmt. Denn die stilistische Umgewichtung klingt durchaus authentisch, man kauft den sympathischen Australiern ab, dass sie den neuen Sound tatsächlich wollen. Schließlich lässt das Quintett praktisch nichts unversucht, um eine allgegenwärtige Größe zu erwirken – gefällige Melodien, die sich zum Himmel strecken; majestätische Doppelleads und zugängliche Gesänge, die bis zu den Chören reichen. All das kann man Parkway Drive in dieser Konsequenz durchaus anerkennend anrechnen.
Doch will die Band dabei letztendlich ohne Maß und zu hoch gesteckten Zielen eben leider auch ungeladen auf zahlreichen Hochzeiten tanzen und dem Metal als reinem Produkt mit überwältigenden Festival-Hymnen Tribut zollen. Sie bedient sich für ein daraus resultierendes, unausgegorenes Over the Top-Metal-Schaulaufen permanent der kultivierten Brechstange und liefert und liefert so ambivalent-frustrierendes Ergebnisse. Dabei will man zuerst durchaus noch die Basis an Bord holen.
Wishing Wells nimmt sich eine sehnsüchtige Southern Akustikgitarre zu einem grummelnden Gesang zum Intro, als hätte Corey Taylor ihn über die stimmungsvolle Schnellwahltaste für Stone Sour eingesungen. Schnell platzen Parkway Drive aber in einer Erinnerung an den Metalcore auf, während McCall den Song mit mehr Facetten zu versetzen versucht, im catchy schunkelnden Seemans-Refrain growlt, die Sache drumherum  aber bereits immer heller wird. Ein Gateway-Song, wenn man so will, der es alten Fans wie neuen Zielen recht machen will. Mehr noch ein Hybrid, der die Ambitionen von Ire übernimmt, dessen Tendenzen für Umbrüche aber bereits weiterdenkt, konventionelle Gelüste befriedigt und dennoch erstes Anrecht auf Festivalplätze anmeldet, wenn Slipknot mal nicht unterwegs sind oder wem die Maskentruppe generell zu aggressiv ist. Womit Reverence auf Schiene gebracht ist.

Prey positioniert sich danach bereits kompetent im puren Alestorm-Power Metal, der keine Angst vor knietiefen Pathos, kitschigen Synthies oder prätentiösem Zirkusdirektorgesten hat. Zumindest ihr Händchen für infektiös-penetrante Refrains und maßgeschneiderte Breakdowns hat sich die Band auch bewahrt. Weniger unterhaltsam dann Absolute Power, das sein solides Riff betont bösartig mäandern lässt ohne zu packen.
Weit draußen ist das überraschende (und überraschend stimmungsvoll funktionierende Wagnis) Cemetery Bloom dagegen im Kern schön düsterer Synth-Pop samt mystischen Wikingerchören und billigen Streichern, aber eben leider kein voll entwickelter Song, sondern eher ein stimmungsvolles Interlude für The Void – ein etwas zu prollig stampfendes Stück Arena-Metal mit übersättigend eingängigen „Can You Feel It?“-Refrain und grundsätzlich platten Texten, das trotz einer latenten Portion Eindimensional und struktureller Vorhersehbarkeit kaum wehtut und im Baukastenformat zumindest in schönes Solo andeutet.
I Hope You Rot schielt dann okkult flüsternd zum Repertoire von Soilwork und vermengt Folklore-Verkleidungen mit unkaschierten Five Finger Death Punch-Merkmalen sowie einem Sabaton-Chorus, bevor Shadow Boxing als atmosphärisch gezupfte Ballade mit Klavier unerfindlicherweise die Grundlage darstellen soll um McCall die Legitimation zu bieten, um in einen Nu Metal’ischen Rap zu verfallen, während der Song so vorgersagbar detoniert wie möglich, bevor die Band noch an allen geglätteten Ecken mit Streichern aus der Dose kleistert.
Spätestens hier weiß man nicht nur, wie unangepasst eine Platte wie .5: The Gray Chapter tatsächlich wirkt, auch ist da das Gefühl, sich in einer Platte zu finden, die den Groove von Phil Anselmo immer schon missverstanden hat, Machine Head-Boss Robb Flynn dafür aber aktuell begeistert auflegen dürfte.

In Blood brüllt zu traniger Melodie, addiert zum Bring Me the Horizon-Schmoz auch Synthies, Gangshouts und Gitarren wie aus einem japanischen Prügelgame – unendlich generisch, aber in der richtigen Verfassung eben (wie einiges auf Reverence) zumindest auch nicht vollends ohne Unterhaltungswert.
Deswegen darf es sich Chronos auch ohne Umwege erlauben Melodien wie aus dem Schlachtprogrammen des Epic Metal aufzufahren und obskure Texte abzuspulen – eben klassischeren Metal-Standard abzuspulen, den man so höchstens nie von Parkway Drive hören wollte, weil ihn unzählige andere Kollegen zwingender hinbekommen. Insofern ist der im Ansatz einnehmende, in der Ausführung aber ernüchternde Abschluss mit The Colour of Living auch exemplarisch: Eine sentimentale Ballade schließt den Bogen mit schwülstigen Orchesterparts im Hochglanz, doch letztendlich verpufft die Spoken Word-Erzählung einfach nicht ausgearbeitet genug, verpufft ohne zündenden Kniff.

Es ist eben selten dabei bis nie der zurückgeschraubte Core-Anteil im Speziellen oder der Mut zur Veränderung außerhalb der angestammten Komfortzone im Allgemeinen, der Reverence zum teilweisen Rohrepierer macht – im Gegenteil, die Vielseitigkeit in der Heavyness steht Parkway Drive. Gravierend ist einzig der Fakt, dass Parkway Drive rein auf kompositioneller Ebene nahezu permanent enttäuschen, wo McCall abseits der shoutenden Parts symptomatischerweise auch gesanglich nicht den angepeilten Level erreicht. Das grundlegende Songwriting ist über weite Strecken schlichtweg zu oberflächlich und plakativ geraten, wärmt (auch an den hauseigenen Stärken vorbeispielend) austauschbare Genre-Tropen auf, anstatt mit substanzieller Klasse zu dienen, scheitert neben internen Limitierungen und abseits des schablonenhaften Inhalts aber auch an der Inszenierung. Die Produktion ist derart fett und blutleer aufgeblasen, um kaum noch Seele hinter der Opulenz erkennen zu lassen.
Reverence ist deswegen zwar gerade nach einigen Durchgängen durchaus eine ordentliche Metal-Schlachtplatte geworden – hat effektive Riffs, kurzweilige Spannungsbögen und zweckdienliche Melodien – bleibt aber dahinter anspruchslos, manchmal gar bemüht und charakterlos, vor allem aber kaum emotional mitreißend. In den besten Fällen funktioniert Reverence deswegen auch durchaus als gut gemeintes Imitat und bandinterne Perspektivenerweiterung ohne Fremdschängefahr, in den Tiefpunkten allerdings wie eine eklektische Metal-Persiflage ohne erkennbaren Witz.

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