Pixies – Head Carrier

von am 2. Oktober 2016 in Album

Pixies – Head Carrier

Da setzen Frank Black und Co. für Head Carrier erfolgreich den Hebel bei einigen der gravierendsten Kritikpunkte am Comeback-Vorgänger Indie Cindy an – und dann fehlt ihnen auf ihrem sechsten Studioalbum justament der nötige Biss, um Songs zu erzwingen, die stark genug wären, um den proklamierten Formanstieg auch tatsächlich zu untermauern.

Keine Frage, die Pixies haben 2014 rund um das praktisch ohnedies nur scheitern könnende Indie Cindy einiges falsch gemacht. Primär waren das etwa das Dilemma rund um Kim Deal, deren Rolle im Gesamtgefüge zwar bereits durch Bossanova und Trompe Le Monde relativiert worden war, doch schlug sich die Abstinenz der Breeders-Chefin dann aber doch so markant wie befürchtet im schrulligen Charisma der Platte nieder, fehlte zumindest die stimmliche Präsenz der 55 Jährigen nicht wenigen Songs als wichtiges, vollendendes Detail.
Noch enttäuschender war da eigentlich nur die Veröffentlichungsweise der Platte – im Grunde die Geschichte einer sich selbst torpedierenden, unnötigen Compilation: Was aufgeteilt auf drei EPs knackigen Sinn ergab, wollte als unrund zusammengefügtes Sammelsurium abseits der doppelt mästenden Verkaufsstrategie nur bedingt funktionieren. Indie Cindy mutierte so zu einem vor allem Langzeitfans vor den Kopf stoßender Kompromissakt, von dem letztendlich 12 tolle, absurde, unnötige und auch brillante Einzelsongs blieben, die (in welcher Konstellation auch immer) kaum die Anerkennung erfuhren, die sie im überlebensgroßen Schatten der restlichen Pixies-Discografie trotz allem verdient hätten.

Aus dieser undankbaren Ausgangslage heraus steigt Head Carrier nun in den Ring, merklich darauf bedacht Versöhnungsarbeit zu betreiben. Die ohnedies unersetzbare Kim ist zwar nicht wieder an Bord, dafür aber Paz Lenchantin in der Band angekommen. Die ehemalige Zwan oder A Perfect Circle-Bassisten schmückt nach dem tollen Indie Cindy-Bonustrack Women Of War nun nicht nur nahezu alle Songs von Head Carrier als Zweitstimme aus, sondern darf in All I Think About Now (samt augenzwinkernder Where Is My Mind?-Verneigung) auch Songwritingcredits sammeln und in der ersten Reihe ein vertontes Dankeschön an die Deal-Schwester singen: Eine nette Übung in Sachen indierockender Versöhnlichkeit, die zudem destiliert, wie brav sich Lechantin in den Bandkosmos einfügt und zwar für keine neuen schrulligen Sternstunden sorgt, aber zumindest wieder für mehr Lockerheit.
Ein Puzzlestück, das auch markant dazu beiträgt, dass sich Head Carrier in Summe generell runder anfühlt als Indie Cindy, der Albumfluss als solcher schlüssiger und stimmiger funktioniert. Man hört der Band an, dass sie nunmehr von der allgemeinen Erwartungshaltung erlöst regelrecht befreit aufspielen kann, dass sie ohne Hemmungen und einem freizügigen Spaß an die Sache geht, die Dinge ohne Verkrampftheit ungezwungen aus der Hüfte schüttelt. Insofern zieht Head Carrier mit reibungslosen Eingängigkeiten wie Classic Masher, Oona oder Tenement Song ohne Umschweife in die Gehörgänge, adaptiert mit Gil Nortons Produzenten-Wachablöse Tom Dalgety einen nostalgieverpflichteten, ruppigeren Sound, und macht keinen Hehl daraus, dass die Pixies als Indie-Instanz die Ohrwürmer immer noch müheloser als ein Gros der Konkurrenz der Konkurrenz abzuschöpfen wissen. Insofern hinterlässt das zweite Album einer erstmals ohne interne Spannungen auskommenden Band allerdings auch die Frage, ob es nicht eventuell genau jener interne und externe Druck war, der bisher den Charakter der Songs geformt hat.Head Carrier zeigt eine angenehm zu hörende Easy Listening-Version der Pixies, der es schlichtweg an Tiefe und fehlt, um über einen unverbindlichen Unterhaltungswert hinauszukommen: Nummern wie Plaster Of Paris sind geradezu schmerzhaft als bagatellisierende Gefälligkeiten ausgerichtet, eingängig und nett, aber lassen eben auch jedwede Ecken und Kanten vermissen. Black Francis bietet diesmal keine der zerschossenen Finten, Songs auf den Kopf stellende Geistesblitze oder nachhaltigen Melodien an, für die sein Songwriting zumindest im Pixies-Kontext stets garantierte, er lässt Head Carrier unweit seiner eigenen mediokersten Discografie-Egalitäten beinahe ambitionslos dort plätschern, wo er die Zuneigung der Langzeitfans vermutet.
Daran ändern auch aus dem Midtempo breschende Ausreißer wie das drückend Dampf machende kleine Rumpelstilzchen Baal’s Back, der erfrischende Surf-Sprinter Talent mit seinem Parade-Gaga-Texten oder das demonstrativ wild und ausgelassen daherkommende, rasant angetrieben röhrende, letztendlich aber gar zu bemüht freakig hyperventilierende Um Chagga Lagga wenig, wenn etwa der Titelsong all sein Potential irgendwo in der Beliebigkeit vertändelt oder das liebliche Might As Well Be Gone so derart milde gestimmt daherkommt, dass man sich nichts mehr als ein paar gemeine Spitzen wünscht. Wo ist da nur die Unberechenbarkeit und Explosivität hin, wo der Mut zu Risiken, oder zumindest der nötige Biss, um die Songs packend in die Mangel zu nehmen?
Sicherlich ist jeder einzelne der 12 neuen Songs im Kern trotzdem ein durch und durch abliefernder Indierock-Vertreter – nur ist die handzahme Gemütlichkeit in der nun eingeschlagenen Gangart geradezu frustrierend, da Head Carrier niemals wirklich mitreißt, aber als nette Fingerübung immer wieder vage Ahnungen einer Trademark-Euphorie andeutet. Den Pixies beim Imitieren der Pixies zuzuhören, mündet dann jedoch so wohlwollend wie spannungsarm in der Grauzone aus solidem Fanpleaser und dem ersten langweilenden Album einer momentan zu satt und kalkuliert nach Wohlfühlzone klingenden Bandkarriere – die unfassbarerweise ja eventuell tatsächlich ein Ablaufdatum kennt.

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1 Trackback

  • The Breeders - All Nerve - HeavyPop.at - […] bereits die beiden Pixies-Comebackwerke Indie Cindy und Head Carrier in (mal mehr, mal weniger euphorischen) Freudentaumel versetzen, der dürfte…

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