Rauchen – Gartenzwerge Unter Die Erde

von am 29. September 2019 in Album

Rauchen – Gartenzwerge Unter Die Erde

Eine hungrige Ladung Hardcore, Punk und ein wenig Powerviolence in knapp zwölf Minuten: Zwei Jahre nach der Tabakbörse EP von 2017 bringt sich das Hamburger Quartett Rauchen mit seinem Debütalbum Gartenzwerge Unter Die Erde durchaus vielversprechend in Position, um das Erbe von Punch antreten zu können.

Dass Rauchen tatsächlich bereits auf dem selben Level spielen, wie es die 2014 abgetretene Szene-Legende aus San Francisco gerade rund um ihren Schwanengesang They Don’t Have to Believe tat, verhindern noch ein paar wenige Kinderkrankheiten, die Gartenzwerge Unter Die Erde jedoch eher nur in Relation zu der referentiell gesetzten, keinesweg niedrigen Qualitätsmesslatte der Genre-Spitze ein klein wenig schwächeln lassen.
Immerhin ist der Hardcore der Band angenehm schnörkellos, extrem angepisst und mit sozialkritischer Wut (hinter den auch mal augenzwinkernden Songtiteln) aufgeladen, setzt den Finger ohne Atempause herrlich hysterisch in offene Wunden. Dass das Geschrei von Brüllwürfel-Frontfrau Nadine geradezu manisch-tollwütig keine großartige Variationen im Drangsalieren bedient, passt zudem zur Haltung von Rauchen. Eine größere, individuellere Bandbreite samt charakteristischen Akzenten im Feuer machenden Geschehen dahinter hätte die dabei kanalisierte Agressivität aber trotzdem mit einer vielschichtigeren Tiefe und unberechenbareren Dynamik versehen. Womöglich wäre der Gesamteindruck des Ganzen aber auch alleine durch weniger frontal in den Vordergrund gemischte Vocals gestiegen, um der instrumentalen Seite mehr Durchschlagkraft, Härte und Saft zu geben.

Aber eben – das ist Jammern auf hohem Niveau. Die zehn Songs drehen die Stellschrauben auch so mit verdammt viel Leidenschaft, Impulsivität und Können kraftvoll an: Der Titelsong bedient etwa herrlich dreckig einen grummelden Bass und hat im Verbund mit dem angespannt-peitschenden Schlagzeugspiel etwas grungiges, obwohl der Opener später noch garstig explodiert und sich doch wieder eruptiv groovend sammelt, das Karussell danach andreht und sich auf keine Temponorm festlegen will. Schwengelstrand Nordostdeutschland hat eine zwingend zum Surf rockende Kante und hyperventiliert, Beschwerde von Klaus dreht in seiner zweiten Hälfte freiheitsliebend auf. Kassenkampf pflegt ein fieses Badass-Riff und Kartoffelstampf à la Mäusle kurbelt mit punkiger Klasse, wo Bier ist OK, aber nicht im Bierzelt durchaus eine gewisse monotone Limitierung in der Saitenarbeit aufzeigt – und das lauernde Highlight Work-High-Balance dieser Theorie dann gleich mal ins Gesicht rotzt.
Spätestens wenn das martialische Gorillas nach seiner brütenden Gangart auf die letzten Sekunden noch eine sprintende Hook auspackt, korrigiert das die Wertung zwischen den Punkten liegend nicht nur ansatzlos nach oben, sondern lässt zudem außerordentlich optimistisch in die Zukunft von Rauchen als vielversprechende Zukunftsaktie blicken. Zumal Gartenzwerge Unter Die Erde bereits deutlich mehr ist, als eine reine Talentprobe.

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