Rostam – Half-Light

von am 23. Oktober 2017 in Album

Rostam – Half-Light

Während Rostam Batmanglij seit seinem Ausstieg bei Vampire Weekend einer scheinbar grenzenlos vielversprechenden Zukunft als Produzent (etwa für Haim oder Frank Ocean)  und Kooperationspartner (vor allem mit Hamilton Leithauser) entgegenblickt, nutzt er sein Solodebüt Half-Light vor allem für eine Aufarbeitung der Vergangenheit.

Die Platte, die Rostam seines Nachnamens beraubt, verwertet nicht nur zwei Singles von 2011 (das mit Tablas, Bollywood-Orchester und orientalischem Flair zur Gruppenchoreographie tänzelnde Wood, sowie das nunmehr in zweifacher Ausführung vertretene Don’t Let It Get To You, das mit dem Animal Collective im Hinterkopf zwischen Electro-Geboller, hüftschwingender Percussion, psychedelisch flimmernder Kulisse und spiritueller Soundcollage flaniert und später als betörend schön strahlendes Score/Klavier-Kleinod zurückkehrt), sondern rekapituliert grundsätzlich vieles, was bereits zwischen Discovery (2009) und dem bisherigen Output der ehemaligen Stammband des New Yorkers passierte – phasenweise fühlt sich Half-Light sogar wie ein adäquates Sammelsurium von Überbleibseln der Modern Vampires of the Cities-Phase von 2013 an.
Diese Vertrautheit liegt bis zu einem gewissen Grad auch an der klaren Handschrift von Rostam. Man kennt die Art seiner Melodieführung; die von westlichen Konventionen bisweilen unbeeinflusst scheinenden Indie-Konventionen; die smarten Synthie-Flächen über den vielschichtigen Texturen; seine weich dösende Stimme, die auch mal zum Vocoder schweift und niemals zwingenden Druck aufbauen kann oder will; den proklamierten Eklektizismus; und natürlich die World Music-Affinität – alleine schon in den Rhythmen, den Streichern und all dem sonstigen ausufernden Instrumentarium.

Ein praktisch unmittelbar willkommen heißender Sound-Status Quo, den Rostam deswegen mit mehr Freiraum für sein Songwriting auslegen kann, indem er die 15 Fingerübungen von Half-Light deutlich lockerer, unfokussierter und legerer agieren lässt, als die meisten Kompositionen seiner sonstigen Projekte. Half-Light leistet es sich immer wieder enervierend abzudriften, fahrig zu werden, und lose um Strukturen zu mäandern, nur um die Zügel unverhofft wieder enger zu ziehen und genialistische Impulse anzudeuten.
Das geht dann mit nonchalanter Unverbindlichkeit toll ins Ohr, ist homogen und unfertig zugleich, bietet sich aber gerade deswegen über die etwas zu ausführliche Länge von 53 Minuten (ohne klar ausformulierten Spannungsbogen und einigen bestenfalls halbgar ausformulierten Ideen im nahtlosen Fluss) vor allem als angenehm nebenbei zu konsumierendes Streunen durch den Klangkosmos von Rostam an, der gelegentlich nur enorm gefällig plätschert, selten nervt, phasenweise aber doch mit kleinen Glanztaten bezaubert.

Sumer schlaft da samt Schellenkranz durch eine fiktionale Weihnachtslandschaft mit Fleet Foxes‚esken Appalachengesängen für pulsierende Großstadtmetropolen, der drückende Synthiewave von Bike Dream käme gar einer knackigen Vampire Weekend-Single ziemlich nahe, würde Rostam nicht stets so deutlich teilnahmsloser und undynamischer agieren, als Ezra Koenig. Der Titeltrack schunkelt von der Pianolounge zum unverfänglichen Pop mit Kelly Zutrau im Schlepptau, verliert sich aber eindruckslos im Nirwana. Never Going To Catch Me ist die Freundlichkeit, die Panda Bear so nie aufnehmen wollte, I Will See You Again bleibt ein liebenswürdiges Fragment und Hold On ist eine irritierende Karambolage aus Autotune-Missverständnissen, schnipselnden R&B-Beats und Angel Deradoorian – da wirkt das folgende streuende Science-Fiction-Gewitter in When dennoch nur bedingt weniger störend.
Besser gelingt da schon die orientierungslos-flapsig stacksende Subbass-Bläser-Revue Rudy, die verschrobene Synthetik von Warning Intruders wummert entrückt und das chorgestützte EOS verströmt eine sakrale Anmut, bleibt aber wie so vieles hier unausgegorener Entwurf – wohin das alles mit mehr Selektion und objektivem Feinschliff hätte führen können.
All das sind im Endeffekt zwar keine Szenen, die Rostams weitere Karriere spannender erscheinen lassen, als sie es nicht ohnedies bereits ist; es sind jedoch zuverlässig aus dem Handgelenk geschüttelte Teile einer herzlich willkommenen Sicherheitsplatte, spaßigen Skill-Demonstration und paradoxerweise nie frustrierenden Verschwendung von Potential, die die nichtsdestotrotz konstante Qualität im Veröffgentlichungshaushalt von Batmanglij einmal mehr unterstreicht. Allerdings eben auch, dass der begnadete Multiinstrumentalist, Ideen-Spender und Arrangeur immer dann am besten ist, wenn er externe Quellen den Kern des Songwritings überlässt und sein feingeistiges Musikverständnis um die nötige, bereitgestellte Körperlichkeit treiben lassen kann.

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