Rustin Man – Clockdust

von am 23. März 2020 in Album

Rustin Man – Clockdust

Erst herrscht über eineinhalb Dekaden lang Funkstille von Seiten des Talk Talk-Bassisten Paul Webb unter seinem Pseudonym Rustin Man, nun erscheint mit Clockdust bereits das zweite Studioalbum von ihm innerhalb ebenso vieler Jahre.

Das gefühlt aus dem Nichts kommende Drift Code war im vergangenen Jahr wirklich ein gutes Album: Mit seiner aus der Zeit gefallenen Melange aus Artpop, Contemporary Folk und Chamber Jazz platzierte sich Webb einnehmend im Wirkungsbereich von Größen wie David Bowie, Scott Walker oder Robert Wyatt, zauberte eine so versierte wie unaufgeregte und nostalgische Canterburry-Stimmung der Melancholie.
Dennoch hatte das erste Rustin Man-Solowerk seine Probleme. Etwa, dass es nach dem Kooperations-Meisterwerk Out of Season an der Erwartungshaltung scheitern musste. Mehr noch aber, dass vom Songwriting an sich wenig hängen bleiben wollte, Drift Code im Grunde beinahe alleine durch seine Atmosphäre und seine Ästhetik Eindruck schinden konnte – und durch seine assoziative Nahverwandschaft zu offenkundigen Referenzen. Nur dass Webb eben substantiell neben einem Monolith wie Blackstar kaum essenzielles zu sagen hatte. An all dem hat sich nun für den Nachfolger Clockdust (abseits den relativierten Ansprüchen des Hörers) knapp 13 Monate später wenig geändert – die 40 Minuten machen praktisch ansatzlos beim nominellen Debütalbum weiter.

Tatsächlich sind beide Alben sogar in den selben Sessions entstanden. Webb: „Early on I realised I had two albums worth of material. The first tunes I wrote were electric guitar based, with long arrangements that built up in layers to something sonically quite dense. These became the bulk of Drift Code. As a reaction, I wrote a batch of songs that were tighter in their structure but had more feeling of space. These make up the bulk of Clockdust. (…) Through the year of mixing and releasing Drift Code I made a conscious effort not to listen to Clockdust. It became some long-lost twin everybody had forgotten. There was an older, wiser atmosphere to it, more cinematic, but in a romantic way.
Mit einem exotischen Instrumentarium wie Euphonium, Kokoriko oder Okónkolo auf der Liste mag dies zutreffen, doch sind die Unterschiede zwischen den beiden Alben tatsächlich minimal. Immer noch klingt Rustin Man stimmlich wie ein nölend-theatralischeres Tribut an Bowie auf seiner finalen Platte, immer noch sind die Songs dahinter primär durch die komplexen Arrangements in ihrer subtilen Zurückhaltung das bezauberndste an Kompositionen, die eine immanente Egalität mit viel Stil, Grandezza und Klasse aufwiegen und eigentlich zu keinem Zeitpunkt wie Ausschussware anmuten, die es aus qualitativen Beweggründen nicht auf Drift Code geschafft hätten.

Carousel Days baut sich pittoresk und wehmütig auf, klimpert mit Bläsern und verweht doch unverbindlich, das besonnene Gold & Tinsel kehrt nach diesem zögerlich-schönen Einstieg minimalistischer gehalten fragil und nahbar in sich selbst ein, zurückhaltend und tröstend. Die verträumte Atmosphäre von Jackie’s Room wird von sphärischen Backinggesängen getragen und  spätestens Love Turns Her On löst dann das Versprechen nach mehr Stringenz ein, torkelt schunkelnd nach vorne. Der Rubicon Song ist eine psychedelisch wabbernde Erinnerung in schwarz/weiß, als Mittelstück jedoch auch eher instrumentalas Intermezzo und fragmentarische Skizze, eines dieser cinematographisch entstandenen Hintergrund-Bühnenbilder von denen Webb spricht: Ob Clockdust nicht in Form zweier EPs veröffentlicht werden hätte sollen darf allerdings überlgt werden – der Spannungsbogen ist schließlich eher durch das allgemeine Ambiente gegeben, weniger durch einen roten Faden im szenischen Fluß aus Einzelsongs.
Old Flamingo klampft nach der kurzen Verschnaufpause jedenfalls kunstvoll gezupftt zum zurückgenommenen Besenschlagzeug, marschiert dann mit Bläsern und warmen Tresen-Chor durch New Orleans – sicher ist das stets eine theatralisch intonierte Revue, aber nicht unauthentisch. Kinky Living gibt also den rumpelnder Zirkus-Umzug im Geiste von Waits oder Captian Beefheart, der zu feierlichen Fanfaren findet und sogar die Western-Gitarren relaxt solieren lässt. Night In The Evening reduziert das Szenario als mit 7 Minuten Spielzeit längster Song erst auf bauchige Tom-Percussion und skelettierte Gitarre, lässt seine Flamenco-Blues Skizze dann aber von Chören tragen, die zwischen weltlichem Soul und dem ätherischen Sakralen keinen Unterschied machen. Die Akzente wären also an sich markant gesetzt, nur verliert sich Webb eben einmal mehr in zahnlos mäandernden Beliebigleit, experimentiert mit synthetischen Effekten und denkt im losen Jam offenbar schon jetzt daran, dass er das Material erstmals seit Ewigkeiten wieder auf die Bühne zu bringen gedenkt.
Auch die munter schunkelnde, aber das Niveau nicht halten könnende Rumpelrock-Bagatelle Man With A Remedy ändert dann nichts am Tenor: Man kann sich imaginativ in die Welten von Rustin Man verlieren, behält aber sein Herz durch eine ständige Distanz, wo alleine der zeitlose, mit viel Können ausgebreitete Sound begeistern müsste – es fehlen einfach die genialistischen Melodien, die fesselnden Hooks, die zwingenden Ideen. Oder aber wohl: Ein kongenialer Reibungspunkt für die meisterlichen Talente von Webb.

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