Steve Von Till – Alone in a World of Wounds

von am 28. Mai 2025 in Album

Steve Von Till – Alone in a World of Wounds

Die vergangenen Jahre hat Steve Von Till die Nachwehen des mutmaßlichen Endes von Neurosis vor allem als Harvestman überstanden. Mit Alone in a World of Wounds bandagiert er den (allgemeinen Welt)Schmerz mit einer Schleife um seine Solo-Diskografie.

Vier Jahre nach No Wilderness Deep Enough (bzw. drei nach A Deep Voiceless Wilderness) bringt Von Till auf seinem regulär sechsten Studioalbum unter eigenem Namen gefühlt alle Phasen der Vorgängerwerke stilistisch zusammen, nachdem der grandiose Opener The Corpse Road ebenso majestätisch wie bescheiden mit Pedal Steel, flimmernden folkloristische Streichern und malenden Horn-Panoramen in seiner orchestralen Grandezza den cinematographischen Rahmen für Alone in a World of Wounds legt – und dabei gleich zwei Dinge vorwegnimmt.
Zum einen, dass das Songwriting des 55 jährigen einmal mehr ausnahmslos seinen typischen Gepflogenheiten folgt und man gefühlt jede einzelne der verwendeten Melodien und Intonationen schon in sich leidlich auseinanderdividierenden Perspektiven gefolgt ist. Dass das Tempo der Platte zudem kaum variiert und die Kompositionen zumeist simplen Strukturen folgen, sorgen gerade auf den Erstkontakt für eine ermüden könnende, zumindest aber überraschungsarme Gleichförmigkeit, die bei aller vertrauten Heimeligkeit wenig reizvoll anmutet – bis man sich in der richtigen Stimmung in der Trademark-Atmosphäre des Amerikaners verliert, sich in dieser mystisch entrückten Welt einmal mehr labsalend suhlen will.
Und zum anderen, dass Steve Von Till seinen Kosmos bisher noch nie mit derart meisterhaften Arrangements verstärkt hatte: Grandiose Verzierungen und Ausschmückungen verzaubern im Großen und Kleinen, heben die Substanz empor.Die in sporadisch in verschiedenen Rollen eingesetzten Gäste um Ben Chisholm, Luke Bergman, Cellist Brent Arnold, Ben Greenberg, Eric Davis (French Horn), Dave French, Bob Weston, Luke Bergman, Scott Evans und Randall Dunn sind die eigentlichen Helden des insofern eigentlich seinen Titel Lügen strafenden Alone in a World of Wounds.

Die Feinheiten und Nuancen entfalten sich so subversiv, aber stetig. Und machen die 41 Minuten der Platte nicht nur zu einem Grower, sondern auch ganzheitlichen, (selbst)referentiellen Diskografie-Highlight.
Watch Them Fade orientiert sich etwa wie schon das Vorgängeralbum direkt am sphärischen Ghosteen, wiewohl Klavier und ein vorsichtig pochender, kaum greifbarer Rhythmus sparsame Körperlichkeit addieren, derweil auch Horizons Undone mit seinen ambienten Synthesizern als kammermusikalisch gezupfte Nostalgie ebenfalls weiterhin spätestens dann an jene Cave-Phase erinnert, wenn der Gesang in die hohen Register abseits der geplagten Komfortzone summend geht, sich gelöst aufschwingt und den vorsichtigen Kontrast der Platte forciert. Distance bekommt durch sein sanftes Schlagzeug und im Chorus nebst der traumhaft auf Autopilot fließenden Strophe sogar ein latent jazziges Flair im Folk und Calling Down the Darkness hallt melancholisch als minimalistische Ballade über den vom Klavier geöffneten Raum: bis auf das Notwendigste reduziert, gleicht die Inszenierung einer tröstenden Schultern, die aus der getragenen Dunkelheit auftaucht. Und wenn Von Till den Song in den letzten Metern loslässt, entwickeln die Streicher sogar eine beinahe gelöste Aufbruchstimmung, die im rezitierten, pianozentrierten The Dawning of the Day (Insomnia) als Geschäftigkeit aufgeht. Warm, unaufgeregt – und eher bodenständig, als esoterisch.
Das mäandernde Old Bent Pine übersetzt die formoffenen Klänge im zwielichtig knisternden Suspense elektronischer, kann dabei aber nicht die subtil ergreifende Traurigkeit des elegisch schippernden River of No Return erzeugen. Dort bedient Von Till nämlich exakt jene Wohlfühlzone für schwere Herzen, denen er mit der Magie des Naturalismus so ehrwürdig und schön die Seele balsamiert, wie es nur wenige sonst können.

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