Sunn O))) & Scott Walker – Soused

von am 13. Oktober 2014 in Album, Heavy Rotation

Sunn O))) & Scott Walker – Soused

Unglaublich, aber wahr: ausgerechnet die Drone-Möche von Sunn O))) ringen dem Aventgarde-Querulanten Walker eine nach dem Schreckensgespenst ‚Bish Bosch‚ kaum mehr für möglich gehaltene – nun ja – „Zugänglichkeit“ ab.

Man darf wohl durchaus behaupten: Freunde der dröhnenden Klangkathedralenbauer Sunn O))) sind gemeinhin nicht unbedingt als bedingungslose Verfechter konventioneller Songstrukturen oder konsumfertigen Zugänglichkeit bekannt. Die Chancen stehen dennoch nicht schlecht, dass ein gewisser Prozentsatz ihres Klientels den Kuttenträgern auf ihrem jüngsten Ausflug nicht folgen (wollen) wird, den geforderten Extremen auf ‚Soused‚ mit Unverständnis begegnen und vielleicht sogar das ‚Lulu‚ des Jahres 2014 sehen wird.
Wer hingehen dem beispiellosen Expeditionsdrang von ‚Tilt‚ und ‚Bish Bosch‚ verfallen ist, oder mit den beiden jüngeren Wahnsinnstaten von Walker Brother John zumindest vertraut ist, darf sich in der Ausgangslage als geeicht ansehen. Tatsächlich ist ‚Soused‚ nun in direkter Relation sogar gar nicht derart abgedreht, sperrig, überfordernd und unnachvollziehbar ausgefallen, wie man das im Vorfeld dieser Feuchte-Träume-Kooperation ausmalen konnte, nein. Sunn O))) scheinen der überbordenden, abseits jeglicher Trends, Konventionen und Vergleichswerte übersprudelnden Kreativwut des 71 jährigen sogar einen gewissen Fokus verpasst zu haben.

Dabei ist es interessant zu beobachten, dass Scott Walker das Geschehen auf ‚Soused‚ klar definiert, mit seinen galligen, theatralischen, vollen, wunderbaren opernhaften Gesang im Rampenlicht steht und die Ausrichtung in ähnliche Bahnen wie ‚Bish Bosch‚ lenkt, während Sunn O))) wie schon auf weiten Teilen des vor wenigen Monaten erschienenen Ulver-Gipfeltreffens ‚Terrestrials‚ eher als Wegbereiter und Nährbodenlieferanten für ihre Kooperateure fungieren.
Wo ‚Soused‚ aber ein klares Übergewicht der Präsenz von Walker vor sich herträgt, ist es vielleicht dennoch die interessante Veröffentlichung aus der Perspektive von Stephen O’Malley und Greg Anderson – weil es Sunn O))) weiter heraus aus der Hohheitszone ihres sonstigen Schaffens lockt, das Duo zu waghalsigeren Aktionen provoziert – wenn gleich in ‚Brando‚ etwa Guns’n’Roses-taugliche Licks auftauchen oder die Erdplattendrones in höherer Schlagfrequenz stattfinden und sauberer als sonst wirken, nicht zermalmen, sondern auskleiden-, während der Sound Walkers wiederum durch die finsteren Schattierungen der Earth-Jünger durchzogen um einige Horror-Facetten tiefer brummend seinen Spleens folgen kann, aber sich neben Peitschenhieben-Beats und irritierenden Sequencerwellen durch die zusätzliche Lage an Avantgarde-Geräuschkunst stärker auf konventionellere Strukturen konzentrieren kann.
Auf wieviel Gegenseitigkeit die Zusammenarbeit letztendlich tatsächlich beruht, zeigt sich spätestens im abschließenden ‚Lullaby‚ in aller Deutlichkeit: ursprünglich hatte Walker den Song um den Jahrtausendwechsel für Ute Lemper geschrieben; das Original und die hier befindliche Version nehmen sich nicht viel in Sachen Hirnfickpotential, um wieviel dunkler und bedrohlicher die 2014er Variante klingt, ist dann aber doch beachtlich.

Vor allem ‚Bull‚ geht dann mit seinem stampfenden Riff, dem kratzenden Loops und scheppernden Drums im Kontext als Ohrwurm an der Grenze zur Psychose durch bevor Sunn O))) den Song hinten raus näher an das eigene Schaffen zwingen als jeden anderen Part der Platte; aber schon von ‚Brando‚ weg lassen sich Annäherungen an Strophe und Refrain erkennen, wenn Scott immer hysterischer rezitiert, bis sich die Szenerie in einem weitgeöffneten, hymnischen (….) Part auftut, der seinem Melodiegefühl gerade solange Raum bietet, bis die Stimmung wieder in ein launisch-düsteres Radiatorenwummern zurückkippt. Das finstere Kinderfressermärchen ‚Herod 2014‚ arbeitet mit verschobenen Knisterbeats über giftigen Rückkoppelungen, daneben heulen Alptraumsirenen und vor dem Weltuntergang mahnende Kirchenglocken in weiter Ferne,  es jaulen Trompeten kurz vor der Folter. Irgendwann zieht sich das Droneriff unmerklich zurück und aus dem Hintergrund legt sich ein regelrecht leicht fassbares Gitarremetalmotiv in Slo-Motion in die Silent Hill-Atmosphäre: wenn das weiche Feedback aufhört, hat der Song sogar Platz für eine Art Chorus und ganz am Ende kristallisiert das wie bei der jüngsten Wolves in The Throne RoomCelestite‚ in transzententale Synthiewelten. ‚Fetish‚ funktioniert als Klangkathetrale, die mit launigen Streicherbiestern, nervenzerfetzenden Bläsern/Keyboardattacken und einer uhrwerkartigen innerer Unruhe für Unbehagen sorgt. Was für ein wohliger, abscheulich-schöner Monolith. Dass das Gespann angeblich bereits genug Material für weitere Veröffentlichungen auf Lager hat klingt da freilich geradezu verlockend. Zumal Walker in dieser Gangart auch mit einer für ihn irritierend hohen Veröffentlichungstaktung durchaus verdaulich(er) erscheint.

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