Swarrrm – Beginning to Break

von am 15. März 2018 in Album

Swarrrm – Beginning to Break

Swarrrm wagen mit Beginning to Break (alias こわれはじめる) die Probe aufs Exempel: Wieviel eigenwillige Nonkonformität und ungenierten Pop kann brutaler Grindcore auf halbem Weg zum Screamo ertragen, ohne über das Ziel hinauszuschießen?

Das Ergebnis kann man sich in Form der fünften Studioplatte der seit über zwei Jahrzehnten aktiven Japaner dann phasenweise ungefähr folgendermaßen vorstellen: Die zuckende Rhythmussektion verfolgt die unkonventionell tackernden Grindcore-Wurzeln der Band, rattert und lauert, während die cleane Gitarrenfraktion arbeitet, als würde sie einer schneidenden Emocore/Screamo-Band angehören, die Melodien so zackig anreißt wie möglich, und Sänger Hatada  dazu tatsächlich klingt wie ein superfieser Yakuza-Mafioso, der in einer Anime-Karaokebar hemmungslos emotionale 80er Powerballaden schmettert, manische Spoken Word-Passagen ausspuckt oder theatralische Growls röchelt.
Deswegen ist Beginning to Break gerade auf den Erstkontakt hin ein durchgängiger, entsprechend großer WTF-Moment, der jenseits jedweder Genre-Treue bis zur Absurdität übersteigert zu sein scheint, seine Bestandteile augenscheinlich gegeneinander antreibt und in die Fusion aus zuckenden Blastbeats, drangsalierten Melodien und leidenschaftlich gebrüllten Singalong-Refrains schon beinahe als Persiflage anmutet.

Seit dem bereits außerordentlich abgefahrenen Flower haben Swarrrm den zwingenden Popfaktor in ihrem Sound dabei aber tatsächlich sogar markant in die Höhe getrieben, sind strukturell nicht unbedingt einfacher, aber auf rockigen Pfaden doch irgendwie direkter geworden, haben die Kontraste fließender gestaltet und verstören deswegen auch nicht mehr derart hirnwütig, wie noch vor vier Jahren: Beginning to Break ist in Kontext der Evolution der Band und vor allem in Relation betrachtet insofern sogar die zugängliche Hit-Platte der Japaner, so abstrus das alleine auf diese 13 Songs bezogen letztendlich auch sein mag.
Spätestens wenn das doch irgendwo im Chaos endende Song for Love als umwerfend hartnäckiger Ohrwurm zwischen rezitierender Envy-Nachdenklichkeit, spastisch zuckenden Postpunk-Überbauten und einem kaum epischer in den Stadion-Himmel strahlen könnenden Chorus mit einer unheimlichen Nachhaltigkeit zündet, zeigt sich nämlich, dass der permanent übertretende  Grenzgang von Swarrrm System hat, schlüssig funktioniert und ein ums andere Mal zündet.

Dann wechselt der Opener This is not the place to have a dilemma immer wieder ruchlos die Auslage ohne sich konfus zu verlieren, kräht und grölt Far away and ephemeral wie ein angeschossenes Biest, nur um eine Bikerhymne für den Highway zum quirligen Punkfinale zu pushen. Suck Your Collar provoziert die superaggressiv würgende Death-Abrissbirne und entscheidet sich dann doch zur postrockigen Entspannung, die sich bald wieder selbst geißelt und eine Classic-Leadgitarre auspackt. Sing for Tommorrow randaliert zwischen Zeitlupe ne Highspeed, artikuliert aber vor allem mit einem unpackbaren Händchen für Melodien in der grobschlächtigen Stimme, bevor Shadow den Thrash von Metallica durch den Hardcore-Shredder jagt, tackert wie von Sinnen, und From My Dream Lite’schen Math als Computerspielscore auf Speed versteht.
Crying of My Blood greint sich zu atonalem Noise zu fast schon loungetauglichen Poprock, zwingt Bling oszillierend gniedelnd zu drängen, hängt die spastische Dringlichkeit der Japaner in einen hirnwütigen Rausch, der Ties nonchalant taumelnd zu Mike Patton stampfen lässt.

Pointiert komponiert, technisch mitreißend, enorm dynamisch in der Komplexität und in ihrer beispiellosen Originalität niemals unausgegoren toben sich Swarrrm in ihrem eigenen Kosmos so also absolut rücksichtslos aus, nehmen keine Gefangenen und haben ein Album geschrieben, die absolut polarisiert, nicht nur Grind-Puristen in ihrer unorthodoxen Maßlosigkeit die Sicherungen hinausfetzen wird. Etwaige Schönheitsfehler gehören da schon beinahe zum grotesken Wesen der Platte, trüben den Hörgenuss allerdings doch.
So ist beispielsweise der Soundmix von Beginning to Break eine einzige übersteuerte, in den Ohren blutende Loudness-Katastrophe, der Fluss des (offenbar seit 2013 in Aufnahmesessions zusammengetragenen) Albums zudem nicht optimal. Fade Outs (der Closer Beginning to Break After You Hold Me schließt am Ende etwa den Kreis zur eröffnenden Akustikgitarre des Plattenbeginns, dreht dafür aber urplötzlich seinen eigentlichen Tumult ab) und hier und da merkliche Cuts zwischen den Stücken machen die kurzweiligen 42 Minuten eher zu einem homogenen Episodenstück im kohärenten Bestreben den Stresstest der Geschmackspolizei zum Explodieren zu bringen. Das verstehe wer will – muß man aber auch gar nicht, um sich in dieses herrlich verrückte Treiben ohne Rücksicht auf Verluste zu stürzen und all das Spektakel zu genießen. Denn vielleicht ist der Bastard Beginning to Break für den Grind und Screamo ja insofern eventuell, was Housu für die obskure Horror-Nische ist. Nur, dass einem das schweißtreibend austickende Lachen hier im Hals stecken bleibt.

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