The Carters – Everything is Love

von am 24. Juni 2018 in Album

The Carters – Everything is Love

Everything is Love bedeutet weltfremden Bonzen-Hip Hop, der seinen permanent zur Schau gestellten Reichtum mit seelenlosem Perfektionismus am Trap-Zeitgeist anbiedert. Beyoncé und Jay-Z alias The Carters meistern auch diese Geschmacklosigkeit irgendwie.

Die neun Songs der ohne große Vorlaufzeit veröffentlichten Kooperation Everything is Love können dabei durchaus als Abschluss einer Trilogie verstanden werden, die mit dem äußerst gelungenen Schuld und Sühne-Doppel aus Lemonade und [amazon_link id=“B073LMG95Q“ target=“_blank“ ]4:44[/amazon_link] begonnen wurde.
Allerdings kreisen die Gedanken des Powercouples Beyoncé und Jay-Z nach der emotionalen Katharsis ihrer jeweiligen Soloalben nun im Verbund primär um dem eigenen Fame sowie den gebetsmühlenartigen Hinweise auf den eigenen immensen Reichtum, der auch noch die eigenen Ur-Enkelkinder zu Multimillionären machen wird. Thematisch hat Everything is Love praktisch nur diese eine Ebene, Wohlstand und materielle Güter, selbst die eigene Befindlichkeit wird in Statussymbolen gemessen. Einmal vergleicht Jay-Z  Beyoncé sogar mit Bier („She tastes like Corona light, sweet / Even the lime gotta squeeze„) – herzlicher wird die Zuneigung hier nicht. Da jagen dann Zeilen wie „Bought him a jet/ Shut down Colette/ Philippe Patek/ Get off my dick“ und „Hundred million crib, three million watch, all facts“ Klimmbimmgedresche ala „Cash, hit deposit, 24-carat faucets/ Louis V and Goyard trunks all in the closet“ oder „I don’t have no concept of time/ Even with a rose gold Concept on me“ – und Everything is Love mutiert aus einer selbst für Hip Hop-Verhältnisse absurd übersteigert prahlenden Karikatur immer mehr zu einer ermüdenden, eindimensionalen Banalität; einem klinischen PR-Dokument, dass mit strahlender Hochglanz-Ästhetik nichts anderes als dem Kontostand Liebe entgegenbringt.

Dass sich die Zusammenarbeit der Carters inhaltlich praktisch ausnahmslos mit Luxusdemonstrationen auseinandersetzt und dafür schonmal prassend durch den Louvre posiert, ist vielleicht nicht sonderlich sympathisch oder nahbar, letztendlich aber vielleicht rundum schlüssig für eine Platte, die sich über weite Strecken auch musikalisch wie ein professionelles Marktwirtschaft-Reißbrett einer modebewussten Focus-Gruppe anhört, die den Kundenkreis von Jay-Z und Beyoncé auf stilistischer Ebene für neue Kreise abseits des bereits hörigen Kernklientels einfangen soll.
Mit welcher Penetranz Everything is Love sich aktuelle Trends (rund um generisch am US-Markt konzipierten Pop-Rap sowie das rückblickend wohl für viel Schamesröte sorgende Zeitgeist-Verbrechen namens Trap) feilzubieten bereit ist, ist jedenfalls schon seit der mediokren Vorabsingle Apeshit klar: Die Migos Quavo und Offset dürfen hier ihre stereotypen „skrrt/ brrt“-Adlips auspacken, nervöse Achtel-Hi-Hats zirkeln und eine effektiv gezimmerte Nummer begleiten, die sich alsbald in ihrer eigenen mediokren Pseudo-Partystimmung erschöpft, aber Culture nichtsdestotrotz aufgewertet hätte.
So gut die Produktionen und die Songs grundlegend auch sein mögen: Oft hat man schlichtweg das Gefühl, dass sie hier in suboptimalen Händen wären, im Kontext der Carters wirkt die Ausrichtung der Platte phasenweise zu unlocker forciert und zu wenig natürlich. Für ein nachrückendes Zielpublikum maßgeschneidert führt Everything is Love zudem bereits anhand dieses Herolds wenig leidenschaftliche Inspiration vor, verdeutlicht aber zumindest, dass Beyoncé  sich besser auf Gebiete abseits ihrer eigentlichen Stärken einstellen kann, als Hova – auch, wenn das bedeutet, die eigene Stimme enervierend mit Autotune zuzukleistern. Immerhin liefert sie trotz der immer wieder frevelhaft effektbeladenen Stimme eine Performance, die einprägsamer funktioniert, als die meisten ernüchternd uninspirierten Verse von Jay-Z, der seiner Gattin insofern glücklicherweise im gesamten Plattenverlauf das Rampenlicht überlässt und als weitestgehend ambitionsloser Steigbügelhalter im Schatten kaum erinnerungswürdige Szenen abliefert.

Ohnedies bleibt von der zwischen vielversprechenden Ansätzen und soliden Routinearbeiten pendelnden, sein Potential nie abrufen könnenden Hit-or-Miss-Egalität Everything is Love musikalisch trotz des ansatzlos konsumierbaren Unterhaltungswertes nur wenig nachhaltiges hängen – im negativen, wie im positiven.
Boss bounct beispielsweise smart entlang subtiler Bläser und eleganter Chöre, wirkt aber eine Spur zu blasiert und zu erschöpfend, weil die Leistungen am Mikro nicht mit dem instrumentalen Gerüst mithalten können, die beiden Carter die Nummer nirgendwo hinführen. Das dröge pumpende Nice will hingegen psychedelisch ausstrahlen, wirkt aber nur sediert und ziellos, ermüdend: Das Ehepaar findet keinerlei Impulse, sondern nur nervtötende Exkurse. Markanter schon 713, das seine Hook an Jay-Zs legendärere Dr. Dre-Hilfestellung Still D.R.E. samt Umdeutung nach Texas anlehnt, aber wieder mit penetranten Verfremdungen auf den Vocals ärgert. Auch Friends ist vocoderverseucht, aber als Subbass-getriebener Sphärereigen nicht ungeschmeidiger R&B, der zudem mit Ex-Kumpel Kanye abrechnet: „I ain’t goin‘ to nobody nothin‘ when me and my wife beefin‘ / I don’t care if the house on fire, I’m dyin‘, nigga, I ain’t leavin‘ / …/ If y’all don’t understand that, we ain’t meant to be friends“.
Dass der Track wie jeder Song um gut die Hälfte gekürzt werden könnte, geht im hinten raus im organischer funktionierenden, aber auch weniger hittauglich-zwingenden Fluss der Platte sogar willkommenerweise beinahe unter: Heard About Us ist funky und hat einen stimmungsvolll schimmernden 80er-Synthieschleier, Black Effect wummert unaufgeregt und angenehm unspektakulär mit Vintage-Sample, LoveHappy marschiert versöhnlich ohne Geistesblitz und addiert auch David Sitek in die ihren Job professionell erledigende illustre Blockbuster-Produzentenriege um Cool&Dre, Boi-1 da, Mike Dean oder Pharrell.

Spätestens beim niemals essentiellen, eher als oberflächliches Schaulaufen fungierenden Closer fühlt sich Everything is Love ungeachtet seiner textlichen Abgehobenheit jedoch vor allem als verpasste Gelegenheit an: Das Superstar-Couple hat hier starkes Ausgangsmaterial nur zu einem okayen Gesamtgergebnis aufpoliert.
Regelrecht frustrierend wird die Sache jedoch, wenn mit dem eröffnenden Summer der Höhepunkt eines so zweckdienlichen Albums schnell abgehakt ist: Über einen gefühlvollen Beat mit relaxten Groove, souligen Instrumenten mit Vintage-Vine breitet sich ein herrliches Oldschool Flair aus, das Danger Mouse und ausgerechnet Kanye gleichermaßen gefallen wird. Vielleicht ist die auf dem Magna Carta…Holy Grail-Interlude Beach is Better aufgebaute Nummer eine Spur zu lang ausgefallen, aber dafür schweben hinten raus Streicher sowie eine warme Orgel umso zeitloser in das Geschehen. Hier führen Beyonce und Jay-Z mit nonchalanter Unangestrengtheit vor, was im Verbund möglich gewesen wäre, wenn man den Albumtitel auch näher an seiner weniger materiellen Deutungsweise interpretiert und ein wenig Romantik vor den Lifestyle gestellt hätte.

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