The Mars Volta – Landscape Tantrums

von am 29. April 2021 in Sonstiges

The Mars Volta – Landscape Tantrums

Als Teil der The Mars Volta-Werkschau La Realidad De Los SueñosThe Reality of Dreams – bekommt Landscape Tantrums (Unfinished Original Recordings of De-Loused in the Comatorium) zumindest digital auch einen gesonderten Release von Clouds Hill spendiert.

Essentiell an der längst ausverkauften Box sind freilich die sieben darin versammelten Studioalben der Progband aus El Paso – aus chronistischer Sicht ist es allerdings ein große Freude, sich all die Unterschiede zwischen den Prä-Rick Rubin-Aufnahmen von Landscape Tantrums und den finalen Interpretationen des perfekten Debütalbums von The Mars Volta vor Augen zu führen.
Die Entwicklung aus den Ruinen von At the Drive-In heraus ist ganz allgemein in einem näher im Post Hardcore verwurzelten Sound zu erkennen, der von dem Produzentenguru  noch nicht von einer glatter präzisierten Oberfläche mit Kniffen wie Multitracking und Overdubs für ein breiteres Publikum salonfähig gemacht wurde. Generell hat Rubin die damals allgegenwärtige Effekte von Michael Ward stark zurückgenommen, den aufgeräumteren und weniger roh ausgeleuchteten Songs damit mehr Raum und polierte Effektivität gegeben, viele Parts gestrafft und pointiert – das ursprünglich ohnedies noch nicht 12 Minuten lange, weit in den elektronischen Ambient entführte Cictriz ESP fehlt hier übrigens symptomatischerweise auch als 4-Minuten-Version – Jon Theodore wird oft eingebremst und Cedrics Gesang klarer nach vorne gerückt.

Was fällt noch im Detail auf? Roulette Dares (The Haunt Of) hat deutlich mehr Zug, während Son Et Lumière länger hinausgezögert wird, trauriger und abgekämpfter auftretend keine Kampfansage in das Album hineinspringend ist. Inertiatic ESP lässt eine zappelnd-frickelnde Hi Hat von der Leine, verschwurbelte Verfremdungen liegen wie ein (zu) dominanter Schleier auf dem Geschehen. Drunkship of Lanterns kommt noch ohne die Einleitung Tira Me a las Arañas sowie das ekstatische Solo am Ende aus; die tanzbare Percussion, der stets prominenter gesetzte Bass, die Soundschleifen sowie die Gitarren, sie alle stehen in einem vollkommen anderen Mixverhältnis.
This Apparatus Must Be Unearthed verzichtet auf die ausbrechende Gitarren zum Einstieg, agiert stimmlich gedämpfter und zeigt eine beinahe nebensächlichere Auslage von Cedrics Gesang samt verständlicheren Intonation sowie einer Bridge, in der die Drums fiebrig antreibend zucken. Televators ist in seiner Urform eine simplen, minimalistische Nummer am emotional ungeschönten Lagerfeuer und Take the Veil Cerpin Taxt noch ein 12 Minuten-Leviathan – nahezu alle davon rein instrumental (fesselnd und im Flug vorbeiziehend), erst in den letzten Sekunden steigt Cedric ein, leiert auch Platzhaltertexte. Das Spiel der Band ist jazziger und ästhetisch noch nahe an der Tremulant EP, das Abtauchen in den Ambient zielloser, bevor die Nummer vom Bass wieder zurück in luzide Gefilde geführt wird.

Landscape Tantrums (Unfinished Original Recordings of De-Loused in the Comatorium) ist dabei freilich kein heiliger Gral der Frühphase, vereint subjektiv noch nicht einmal die besten Demos der damaligen Zeit. (Diese Position reklamiert neben den Summer Demos wohl jene seinerzeit zirkulierende Album-Frühversion für sich, die The Haunt of Roulette Dares noch seinen Titel vorausflüsternd als Closer abbrachte, die abschließenden Drums von This Apparatus Must Be Unearthed nicht rückwärts abspulte, und die Radio Vago-Damen im Vorprogramm von The Mars Volta Anfang 2002 bereits einen „Instant Klassiker“ prognostizieren ließ.)
Dass die Zusammenstellung veröffentlicht wurde ist schließlich auch so eine feine Sache, obgleich sich im Kontext der La Realidad De Los Sueños ein latentes Ungleichgewicht ergibt: Der alleine Fokus auf die Frühphase, was die Nebenschauplätze anbelangt, kehrt unter den Tisch, dass auch die nachfolgenden Alben faszinierende Demos und (wenngleich sehr wenige) B-Seiten im Angebot hatten. Das einzig wirkliche Manko der Werkschau ist allerdings, dass Frances The Mute weiterhin ohne seinen Titelsong auskommen muß –  obwohl Omar und Cedric etwaige Neuauflagen des zweiten Albums ja dezidiert niemals ohne das fantastische Stück ausstatten wollten.

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