Maxïmo Park – Too Much Information

von am 2. Februar 2014 in Album

Maxïmo Park – Too Much Information

Der proklamierte Paradigmenwechsel bleibt (überraschenderweise) aus: ‚Too Much Information‚ ist letztendlich nicht derart elektronisch aus dem Fenster gelehnt, wie es die 80er affine Vorabsingle ‚Brain Cells‚ in Aussicht gestellt hat. Darüber hinaus servieren Maxïmo Park ein spontan entstandenes, dezent unentschlossenes Übergangswerk und wohl vor allem für die Entwicklung des Band wichtiges Album.

I Don´t Know Where We´re Going“ bringt Paul Smith die Dinge selbst am besten auf den Punkt. Zwischen den Stühlen platziert ist ‚Too Much Information‚ so eine Platte geworden, die nicht nur die Band selbst, sondern auch all jene langjährigen Fans ein wenig ratlos zurücklassen kann, die bisher nicht in die (natürlich nicht aus der Luft gegriffenen) Vorwürfe einstimmen wollten, dass die Engländer sich seit ihrem traumhaften Popgeniestreich ‚A Certain Trigger‚ hart an der Grenze zum Selbstplagiat gegen jede Weiterentwicklung sperrten – weil das bis hin zum tollen ‚The National Health‚ letzten Endes doch immer in durchwegs schmissigen Songs und einer garantierten Handvoll Überhits gemündet hat.
Um es vorwegzunehmen: diese eklatanten Ausreißer in hymnische Sphären gehen ‚Too Much Information‘ nun weitestgehend ab, auch wenn das gefühlvolle ‚Lydia, The Ink Will Never Dry‚  balladeske Erinnerungen an ‚Books from Boxes‚ zu wecken versucht, das betörend schwelgende ‚Drinking Martinis‚ sich immer berauschender auf seinen eleganten Gitarren ausbreitet oder das flott-poppige Intermezzo ‚Her Name Was Audre‚ diese klassische Maxïmo Park-Catchiness andeutet, mit zwei Minuten Spielzeit aber zu knapp bemessen wurde, um seine Widerhaken effektiv zu platzieren.

Zu diesem Zeitpunkt sind die Engländer um Paul Smith schon wieder weiter zurück hinein in die altbekannte Wohlfühlzone des bisherigen Schaffens geraten, haben die innovativ gemeinten Ansätze und prominenter aufgefahrenen Synthieflächen, die ‚Too Much Information‚ vor allem über die ersten drei Songs prägen, schon wieder in den Hinter- und die Gitarren in den Vordergrund gedrängt – übersehen dabei aber auch, dass gerade in dieser Phase die interessantesten Momente der Platte stattfinden: das noch etwas bemühte ‚Give, Get, Take‚ schwingt sich so traditionsbewusst wie energisch immer weiter in einen flirrenden Rausch, bevor das psychedelisch in den Club pluckernde ‚Brain Cells‚ als bisher untypischster Song der Bandgeschichte als falscher Prophet natürlich nichts macht, was Depeche Mode nicht schon vor Jahrzehnten – oder die Editors um um 2009 herum – taten, für die Band aus Newcastle aber als elektronische Neujustierung durchaus unbekannte Türen öffnet. In die selbe Kerbe schlagen auch das noch großartigere ‚Leave This Island‚ (im Kontext dann sogar so etwas wie die gesuchte Ausnahmesingle), in dem ein wunderbar unterkühlter Paul Smith über industrial-lastige Melodien und Hooks schwebt, sowie das orientierungslos und verschlafen plätschernde Synthiespiel ‚Is it True‚.

Freilich haben Maxïmo Park auch für diese Songs ihr Songwriting nicht von Grund auf neu erarbeitet. Aber eben (zumindest auf ihren bisher bedienten Soundkosmos ausgelegt) neue Wege gefunden um dieses zu artikulieren – und ringen sich so (endlich?) die vielerorts schon lange verordnete Frischzellenkur durchwegs stimmig ab. Weswegen es auch doppelt schade ist, dass die Engländer diese Aufbruchsstimmung nicht über die gesamte Albumlänge durchziehen und ausgerechnet in ihrem eigentlich wohlbekannt abgesteckten Metier Ermüdungserscheinungen erkennen lassen: ‚Too Much Information‚ fehlt es über weite Strecken am Druck und dem zackigen Feuer, immer wieder verlieren sich die Songs in einer irritierenden Kraftlosigkeit, finden nicht zum Ziel, auch, weil Maxïmo Park das Hibbelige und Überschwängliche diesmal beinahe (Ausnahmen wie das knackige ‚I Recognise The Light‚ bestätigen die Regel) vollends ausgeklammert haben und ihr bisher am wenigsten stark seine Vorzüge anpreisendes Album geschaffen haben.

Wenn sich ‚My Bloody Mind‚ zwischen seinem scharfkantig riffendem Beginn und einem elegischen Pianofinale selbst ausbremst, das ausladende ‚Midnight On The Hill‚ nicht so dramatisch zündet wie es wohl sollte, oder das einfühlsame ‚Where We’re Going‚ mit seinen einsam geöffneten Gitarrenakkorden und verstohlenen Harmoniegesängen nur bedingt die lieb gewonnene Tradition des herausragenden Schlusspunkts wiederbeleben kann, dann ist ‚Too Much Information‚ eben doch ein klein wenig näher dran am B-Seiten-Album als alles seit ‚Missing Songs‚. Ein schlechtes Album ist Maxïmo Park damit zwar trotzdem abermals nicht gelungen, sehr wohl aber ihr bisher schwächstes. Und sei es nur deswegen, weil ‚Too Much Information‚ den Eindruck hinterlässt, dass die Band zu verhalten agiert und diesmal nicht ihr Potential ausschöpft: nicht im im vergangenen Jahrzehnt abgesteckten Trademark-Komfortbereich und nicht in der vielversprechend anvisierten phasenweisen Neuerfindung als elektronischeres Alter Ego. Mag die Band sich damit auch aktuell an einem nicht restlos befriedigenden Scheidepunkt stehen: spannender erschienen die Zukunft für Maxïmo Park schon lange nicht. Vorausgesetzt natürlich, Paul Smith und Co. verschaffen sich Gewissheit, wohin die Reise überhaupt gehen soll.

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