Record Store Day 2015

von am 27. April 2015 in Featured, Sonstiges

Record Store Day 2015

Während Foo Fighters-Boss Dave Grohl die Werbetrommel rührt, sich Tool-EPs in U2-Alben schleichen und die White Stripes die bestverkaufte Platte des Events vorlegen mehren sich längst kritische Stimmen zum Ablauf des allgemeinen Prozedere des Record Store Day, dessen zugrunde liegende Idee längst pervertiert scheint. Abseits der phasenweise horrenden Preisentwicklungen lohnen dennoch wieder einige Veröffentlichungen die Jagd.

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Foo Fighters - Songs From The Laundry RoomFoo Fighters – Songs From The Laundry Room

Eine Veröffentlichung, die in gewisser Weise symptomatisch für die Schattenseite des Record Store Day zu sehen ist: Dave Grohl ist zwar der offizielle Patron des Vinyl-Feiertages im Jahr 2015 – ein Exemplar der gefühltermaßen dazugehörigen Veröffentlichung seiner Foo Fighters zu ergattern wird aber angesichts der bescheidenen Verfügbarkeit zu einem teuren Spießrutenlauf auf Ebay und Co. – dabei wäre eine breitere Zugänglichkeit der 10″ gerade in diesem Fall durchaus als symbolische Geste gegen den weitreichenden Abzocker-Beigeschmack des Record Store Day willkommen gewesen.
Letztendlich ist ‚Songs from the Laundry Room‚ ohnedies eine klassische Veröffentlichung aus dem gegebenen Anlass: kaum essentiell, aber im Grunde eine nette Angelegenheit für Fans – vor allem für jene der Frühphase der Band. Entstanden ist ‚Songs from the Laundry Room‚ im Zeitraum zwischen 1991 und 1993 in Barrett Jones’ Studio in Seattle (daher auch der Name) und versammelt neben zwei rauen, aber nicht unbedingt druckvollen Demos des Foo Fighters-Debüts (‚Alone + Easy Target‚ sowie ‚Big Me‚) den bereits in der letztjährigen HBO-Serie auftauchenden, bisher aber unveröffentlichten Sprinter ‚Empty Handed‚ (der in seinen 108 Sekunden mehr Punk ist als alles, was die Foo Fighters für das lahme ‚Sonic Highways‚ in Washington D.C. aufgenommen haben) sowie eine mit bierseligem Gesang ambitioniert überschwänglich rausgedroschene Version des Kim Wilde Songs ‚Kids in America‚ – die man zur Feier des Tages auch gerne nochmal zelebriert. Zumindest wer sich für die zahlreichen Varianten des letzten Studioalbums die Münzen aus der Tasche hat ziehen lassen wird um diese durchaus nette Veröffentlichung nicht herumkommen.

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Pianos Become The Teeth - Close  Pianos Become The Teeth – Close

Noch einmal unterstreichen Pianos Become The Teeth, dass sie entlang ihrer soundtechnischen Radikalkur in der Form ihres Lebens sind: das zu zurückgenommenen Marschrhythmus aufblühende ‚895‚ und dem sich freischwimmenden ‚Dancing‚ mit seinem atemanhaltenden Finalzug („My white noise sings a howling sound/ And keep dancing to the motion of what I need/ And your dancing is all I see„) schlagen aus den selben Sessions stammend nämlich nicht nur stilistisch in die selbe Kerbe wie das grandiose ‚Keep You‚ aus dem letzten Jahr, sondern halten auch qualitativ beinahe mühelos das tiefschürfende Niveau der in sich gekehrten Albumnummern, auch, wenn sie nicht an deren emotional erschlagendsten Momente aufschließen können.
Zwar ließe die unverrückbare Sicherheit, mit der sich das Quintett aus Baltimore in ihrem Geflecht aus hardcoregeschulten Indierock und drückenden Postrock bewegt sogar Spekulationen über die Zukunft der Band zu – in erster Linie dahingehend, wie variabel der klar definierte Sound der Band das Songwritings der Band einengen könnte – zumindest für 10 tröstende Minuten ist das aber eine Frage, die im betörenden Rausch des Moments vorerst kaum eine geringere Rolle spielen könnte.

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Every Time I Die - SalemEvery Time I Die – Salem

iTunes-Kunden und Sammler digitaler Datenpakete werden die Hälfte von ‚Salem‚ bereits kennen: ‚Cheap Ludes‚ und ‚Saturnalia‚ waren bisher nur als Bonustracks auf der Deluxe Edition von ‚Parts Unknown‚ zu finden. Die beiden Tracks nun auch physisch auf Vinyl verfügbar zu haben, ist also eine feine Sache, zumal die beiden Kraftpakete auf dem letztjährigen, absolut superben Studioalbum keinesfalls untergegangen wären. Selbiges gilt für das nach vorne hämmernde ‚A Strange Loop‚ und das energiegeladene Nirvana-Cover ‚Tourettes‚, bei denen Every Time I Die sich zwischen straightem Rock, ballerndem Hardcore und vertracktem Mathgebrüll die Finger wund knüppeln und über zahlreiche Breakdowns galoppierend keine Gefangenen nehmen. Kurzum: Diese Typen machen einfach nichts falsch. Und ‚Salem‚ zu einem Leckerbissen des Record Store Day.

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Various Artists - Whatever NevermindWhatever Nevermind: A Tribute to Nirvana’s Nevermind

Nirvana-Tribute Alben von Robotic Empire werden offenbar zu einer Tradition am Record Store Day. Nach der letztjährigen guten, aber doch auch hinter den Erwartungen bleibenden Verneigung vor ‚In Utero legt die Compilation zu ‚Nevermind‚ nun in jeder Hinsicht nach, nicht nur was die Dichte an großen Namen angeht: Qualitativ zieht das Label aus Virginia zahlreiche Asse aus dem Ärmel.
Polly‚ von La Dispute wird da etwa zur rumpelnden Post-Hardcore Nummer, die mit dängelnden Gitarren und einem seltsam eingekesselt klingenden Jordan Dreyer mit einer inneren Unruhe die Schnittmenge zur Band aus Seattle anvisiert, Kylesa verschleppen ‚Come As You Are‚ schon davor markant und mit trüben Augen in ihre Sludge-Psychedelik-Gefilde, im Refrain jedoch etwas zu behäbig drückend. Wrong inszenieren ‚Stay Away‚ als trocken austeilenden Groove-Metal mit starker Noiserock-Kante, während sich Pygmy Lush anhand von ‚On a Plain‚ ein weiteres Mal als Experten beweisen, wenn es darum geht eine Kurt Cobain Komposition als FolkWeichzeichnung mit kratzendem Indierock-Gefühl zu interpretieren. Ebenso zurückgenommen schwelgen dann Nothing, die die Verletzlichkeit von ‚Something in the Way‚ in Form einer reduzierten Klavierballade mit vorsichtigem Shoegaze-Background etwas zu sauber zu Grabe tragen.
Wie schon auf dem Vorgänger sind es auch diesmal die Nummer-Sicher-Interpretationen, die am wenigsten Eindruck hinterlassen: Cave In (‚Breed‚) und Torche (‚In Bloom‚) ballern dreckig, White Reaper verwenden für ‚Territorial Pissings‚ spacige Effekte, liefern im Grunde aber einen enorm straight rasenden Punksong und Circa Survive konzentrieren sich wie bereits auf der Vorgängerplatte weitestgehend aufs uninspirierte Nachspielen: ‚Drain You‚ ignoriert schlichtweg die eigene Stärken von Anthony Green und Co.
Whatever Nevermind: A Tribute to Nirvana’s Nevermind‚ gelingt aber selbst in diesen vereinzelten, etwas weniger beeindruckenden Fällen immer noch verdammt arschtretend. Dazu gibt es dann noch Nummern, die über den Dingen stehen: Young Widows schrauben ‚Smells Like Teen Spirit‚ vollkommen auseinander und verlöten die Einzelteile zu einem praktisch nicht mehr wieder zu erkennenden Bastardrock-Brocken – sensationell unkonventionell. Boris spalten ‚Lithium‚ als Wechselbad aus ambienter Spokenword-Meditation und brutal walzender, verstörend taumelnder Doom-Gastigkeit mit engelhaften Gesang. Jeremy Bolm verzichtet dann weitestgehend auf Geschrei, während Touchè Amorè dazu spielen, als müssten sie ‚Lounge Act‚ aus den Fängern der Replacements in einen schmutzigen Alternative-Rockschuppen treiben. Dazu gesellt sich eine Bonus 7″: Thou haben gefühltermaßen ohnedies bereits die halbe Nirvana-Discographie gecovert, das ätzende ‚Endless, Nameless‚ und ‚Even in his Youth‚ werden als zusätzlich beigelegte Tracks mit psychotischen Gitarren, zentnerschweren Groove und martialischer Giftigkeit, Distortion, Chaos und beklemmender Katharsis dennoch zu Highlights in der reichhaltigen Sammlung. Es lohnt es sich also nicht nur des imposanten Namedroppings wegen, sich auf die Suche zu machen: Kudos, Robotic Empire, genau so gehen fabelhafte Tribute Alben!

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Blitzen Trapper - Live Harvest  Blitzen Trapper – Live Harvest

Die US-Folker Blitzen Trapper haben seit jeher ein stark ausgeprägtes Faible dafür, sich  traditionellen Liedgutes von Bob Dylan bis Ryan Adams anzunehmen. So konsequent, wie an zwei abschließenden Abenden der Tour zum aktuellen Studioalbum ‚VII‚ sind sie diesem allerdings bisher noch nie nachgegangen: In e zelebrierte die Band den Klassiker ‚Harvest‚ von Neil Young aus dem Jahre 1972 Song für Song nahtlos am Stück. „I think we all knew the record before we even tried to play it. It’s one of those records that takes us to that place of comfort and nostalgia like The Dukes Of Hazzard or a Chevy Impala. It just feels good to play it.“ sagt Frontmann Eric Earley – und das hört man, das Material kommt den Vorzügen der Portlander optimal entgegen. Inszenatorisch halten sich Blitzen Trapper dabei eng an die Originalversionen, tauschen aber wie in ‚A Man Needs a Maid‚ Studiofeinheiten wie schwelgende Streicher verständlicherweise gegen ein rauheres Live-Flair und kantigere Alternative Country-Herangehensweise, setzt aber stilecht auf viel Mundharmonika, Slidegitarre und gefühlvoll konserviertes Soundbild. Neue Perspektiven gewinnen sie den Songs dabei vielleicht keine ab – und die Magie von Young bleibt natürlich ohnedies unerreicht – aber als Record Store Day-Release ist das ein willkommenes Schmankerl für Fans der Band.

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