Amenra – De Doorn

von am 11. Juli 2021 in Album

Amenra – De Doorn

De Doorn ist keine Zäsur, aber eine Standpunkt-Änderung, die zu neuen Perspektiven führt, denn Amenra fächern ihre schmerzhafte Projektionsfäche weiter auf und pflegen den Dorn im Fleisch mit extremeren Amplituden.

Die Jahre nach Mass VI sind für Amenra über zahlreiche Veröffentlichungen abseits des Kanon-Hauptstranges zu einer Zeit der Suche geworden: man war spätestens 2017 hinsichtlich des Songwriting eben doch gemütlich geworden, zu vieles lief auf Schiene.
Insofern ist es eine so willkommene wie notwendige Idee, dass De Doorn nun einige neue Impulse zu setzen versucht. Die Church of Ra– und Oathbreaker-Stimme Caro Tanghe gehört nun zumindest vorläufig zum Bandgefüge („We have put her in the credits of the album with us, as if it were (a member of the band), because she is part of this album. We did not want to put her on a guest list because she is part of the album just like us.“) und füllt die Texturen mal mit harmonischen Backinggesängen, mal mit harschem Hass, während Bandchef Colin H. Van Eeckhout nun auf flämisch brüllt – und vor allem auch rezitiert, erzählt, ruhig anleitend spricht. Dass Amenra ihren Sound (weg von persönlichen Schicksalsschlägen als Katalysator, hin zu spirituellen Gemeinschaftsritualen – und damit auch den aus der bisherigen Norm fallenden Plattentitel erklärend) dazu oft wie nie ohne jede Heaviness auskommen lassen, gar weit in den Ambient als Klangmalerei abtauchen, ist da nur konsequent.

Genau genommen sind es sogar all diese neuen (oder auch nur mit neuer, elementarerer Tragweite versehenen) Elemente, die die interessantesten Aspekte von De Doorn stellen.
Kippen Amenra im ständigen Wellengang aus laut und leise, brutal und ätherisch, in ihr angestammtes Amalgam aus Post Metal und Sludge, in dem Van Eeckhout von den Spoken Word-Passagen weg gewohnt manisch zum Screamo brüllt, dann kann das zum einen eine verinnerlichte Klasse bauen und zieht aus den intensivierten Kontrasten der extremen Amplituden auch eine zusätzliche Reibungen – doch ist das Songwriting in diesen Szenen kompositionell streng genommen wenig spannend, sondern eher routiniert und zuverlässig. Dass Amenra längst primär über die Atmosphäre und Stimmung ihrer Musik funktionieren ändert sich also nicht, eher im Gegenteil.
Wo De dood in bloei (das durch die wechselnde und dann gemeinsame Wanderung von Tanghe und Van Eeckhout anzieht) oder das von (einer einfach jede ihrer Szenen veredelnden) Tanghe herrlich verzweifelt in die Katharsis kasteiende Het gloren in ihrer dualistischen Struktur zu vorhersehbar nach einem genormten Muster arbeiten, verwalten die Belgier ihre Komfortzone auf Sicht mit einer erfolgreichen Frischzellenkur.

Den Weg, den etwa Ogentroost von der Drone-Zeitlupenaufnahme zum kultischen Hörspiel mit beschwörendem Panorama beschreitet, bevor die Gitarren zu mahlen und die Drums zu treiben beginnen, die Riffkultur immer dringlicher, verzweifelter und direkter wird, beschreiten Amenra mit vollendeter Trittsicherheit. De evenmens kann sich auf das majestätische Gefühl der Band für mächtige Kaskaden verlassen und schwingt sich nach dem üblichen Mustern zu einem melodischen erhebenden, klar intonierten Höhepunkt auf.
Wenn das abschließende Voor immer als postrockige Introspektive jedoch über den Großteil seiner fast 13 Minuten Spielzeit der ambienten Einkehr widmet und nach dem kompakten Ausbruch später in die Distortion wandern wird, zeigt sich auch klar, dass die eigentlich Stärken von De Doorn nicht in den angestammten Hoheitsgebieten von Amenra liegen, sondern in den elegischen Ausläufern, den konsequent erschlossenen Grenzgebieten und Übergangszonen. Die Metamorphose des Kollektivs lässt insofern zwar Luft nach oben, war aber unbedingt der richtige Schritt.

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