Anatol – Ana

von am 19. August 2021 in Album

Anatol – Ana

Sieben satte Jahre nach der ersten EP In Spring (und vier nach Fantasy Violence) sind LoFi-Noiserock und fuzzy Shoegaze für den Polen Anatol (oder doch Jakub?) Malinowski auf dem Debütalbum Ana die Startrampe.

Den Landepunkt davon kann man sich ungefähr insofern verortet vorstellen, als hätte der in den vergangenen Jahren offenbar mit Sierść oder Złota jesień beschäftigte Musiker eine Kassette wiedergefunden, auf denen er in den 90ern versucht hat, den Geist von Guided by Voices, Sonic YouthWire, (Achtung, Paradoxon!) frühen The Men oder Dirty Beaches, My Bloody Valentine und Can unter einen Hut zu bringen.
Die zugänglichste Melange ergibt das im Falle des fast schon konventionell gestrickten, kompakten Noise-Pops von we’d kiss, obwohl der etwas deplatzierte Closer vor allem seinem Interesse am Gaspedal nachkommt, eigentlich auch im direkten Geschrammel trik! (raz kozie smierc), das seine Schmissigkeit immer wieder Blastbeat-Instinkten opfert und im Radau mündet.

Daneben allerdings schälen anatol („vox/git/mix“), emil („bas“) und mikołaj („perkusja“) das Songwriting nur bedingt aus der instinktiven Ästhetik und Attitüde, so sägend, quietschend, fiepend-harmonisch und liebevoll.
In bydgoska rezygnacja kratzen die Gitarren exemplarisch dünn aus dem Nebenraum, das Schlagzeug rumpelt, der bittersüße Gesang ist sogar noch weiter entrückt, der Rausch jenseits von King of Carrot flowers muß her. chciałbym słuchać, co jeśli nie potrafię słuchać? gibt sich bedächtiger, fast krautig, bevor Anatol zur Mitte hin kurzerhand als natürlichste Sache der Welt in den Trance-Club Richtung Underworld, Tanzfläche und Drum’n’Bass abbiegt – und dabei abrupt den Stecker zieht.

European extreme schwurbelt trippig, mäandernd über jazzig-hibbelige Drums und einen trocken knödelnden Bass, ist lange ein Jam-Experiment auf einem sturen Rhythmus Gerüst, bis Melodien und der Rock Zugriff bekommen, das Ruder übernehmen dürfen – wie Ought in roher und unbändiger, denn zwischen Feedback-Exzess und sedativem Delirium liegt nur wenig Distanz.
rujka/o czym myślisz?/over it als zweiter Longtrack sucht im von kargen Gitarren und spartanischen Synth-Texturen skizzierten Homerecording-Drone/ Ambient/ Shoegaze-Hybrid traurig aus dem Hall die Melancholie hervor, was Anatol ganz hervorragend steht: Der Kontrast aus Verletzlichkeit und Unnahbarkeit wirkt wie eine Seance, dessen Outro das Telefon schier endlos zu Wildest Moment läuten lässt (nachdem zuvor bereits Faint und Straight Up durch den Äther geprügelt wurde) und im Dark Ambient ersäuft. Eigentlich das ideale Ende für dieses frühe (wenngleich mit Luft nach oben daherkommende) Szene-Jahreshighlight!

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