Burial – Streetlands

von am 19. November 2022 in EP

Burial – Streetlands

Streetlands ist nach Antidawn (neben der allgemeinzugänglichen Archivsichtung der Four Tet-Kooperation Nova / Moth freilich) bereits die zweite Burial-EP im Jahr 2022. Sie zeigt William Emmanuel Bevan wieder ausnahmslos als Score-Komponisten für das Kopfkino.

Eine durchaus ambivalente Ausrichtung, wie man längst weiß. Denn einerseits wird Burial als Ambient-Musiker in mancher Hinsicht doch merklich besser im Artikulieren seiner Ambitionen (weil er kompletter agierend seine Ideen dichter und bildhafter in der Atmosphäre umsetzend arbeitet). Andererseits bleibt in diesem Metier weiterhin so viel Luft nach oben für ihn, was eben auch daran liegt, dass er seit über eineinhalb Dekaden die gefühlt gleiche Palette an Sounds benutzt – was inzwischen eben auch weniger wie das markenbewusste Vertrauen auf Signaturen und Trademarks wirkt, als vielmehr nach einer limitierten Bandbreite anmutet: Ästhetisch hat Bevan sich nicht von der Zeit rund um seine ikonischen Alben gelöst, hinsichtlich seiner Ziele und Formen aber längst.
Ein symbolhafter Zustand – insofern ist Streetlands auch eher ein entwicklungstechnischner Rückschritt als Antidawn, gleichzeitig ohne jedweden Beat meilenweit von den eigenen Wurzeln entfernt, und dann auf der zweiten Seite der Platte doch auch wieder Neuland erforschen wollend.

Dabei beginnen die 35 Minuten der Platte vielversprechend – mit dem imaginativen Soundtrackbastler Burial auf der Höhe seiner Schaffenskraft. Hospital Chapel bewegt sich im minimalistischen Ambiente mystisch und ruhig, elegisch und ätherisch, wie ein Blick auf den Wellengang in Zeitlupe, während des sehnsüchtigen Spaziergang am Strand von Blade Runner mitten in der dunklen Nacht. Alle Hinweise auf anderes (elektronisches) Leben lassen sich über undefinierbare Field Recordings höchstens als weit entfernte Schemen erahnen. Irgendwann kündigt eine klassisch gesampelte Frauenstimme den Regen an, der Protagonist der Gedankenwelt bleibt stehen und betrachtet erstaunt die letztendlich profane Anmut des Sonnenaufganges, die sich alle Zeit der Weit lässt.
Auch der Titeltrack kann dieses Niveau im ersten Drittel halten, wenn ein leises Piano-Motiv gespenstisch durch den knisternden Suspense hallt und plötzlich eine patentiert gepitchte Stimme im hoffnungsvoll-subtilen Synth-Nebel emporsteigt, sphärisch-sakral dösend und gedenkenverloren sinnierend. Soweit scheint Burial tatsächlich einen kompositorischen Masterplan für seine Stücke zu haben.

Bald aber wird aus dem Herzstück der Platte eine szenenhafte Soundcollage, die abseits der Grundästhetik die Ausrichtung ändert und an sich feine Augenblicke bietet – ein obertongesangsartig skizzierter Chant und chorale Tendenzen stehen etwa in der düsteren Reduktion eines Cyberpunk-Tempels. Doch wird die stimmungsvolle Abfolge von fragmentarischen Dystopien am knisternden Lagerfeuer in geduldigen Überblendungen des friedlichen Unbehagens ein inkohärentes Flickwerk, dass zeigt, wie Burial als Regisseur seiner Klangwelten das Gespür für ein schlüssig erzähltes Narrativ fehlt.
Exokind hat dann hinsichtlich seines Spannungsbogen sogar etwas von einem regelrecht willkürlich zerschossenen Clusterfuck, zieht als anachronistisches Experiment aus dezent aufspringenden, kristallinen 80er Synthwave-Elementen, progressiver Elektronik, John Carpenter-Arpeggios und spacing schimmernder Neon-Zerfahrenheit aber auf popkulturell vertraute, trendaffine Weise reizvoll, auch dynamischer an als der Rest der Platte. So klingt jedenfalls kein Ankommen, im positiven wie negativen Sinne, aber die eklektische Epigonen-Ambition zur Evolution.

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