Callow / Jungbluth – Split

von am 22. Februar 2014 in EP

Callow / Jungbluth – Split

Um die jeweils knapp 6  Minuten Spielzeit genügen Callow und (viel mehr noch) Jungbluth, um im Doppelpack beeindruckend kaltschnäuzig vorzumachen, wie kompromisslos emotionaler politischer Hardcore nahe der Perfektion geht.

Die Münsteraner Jungbluth sind seit ihrer Gründung 2012 längst zu einer der Vorzeigebands des deutschsprachigen Punk geworden – eine Stellung, die sie knappe 7 Monate nach ihrem brillianten ‚Part Ache‚ mit konstanter Durchschlagskraft abermals bestätigen: ‚Keeping Peace‚ braucht ungefähr eine halbe Minute um aus einem stillen Feedback emporzuklettern – und verglüht letztendlich in einem noch heftiger nachwirkenden Noiserückkoppeln. Dazwischen drücken die sich diesmal ausnahmslos auf deutsch Luft machenden Jungbluth mit ungemütlich grummelndem Basslauf, verzweifeltem Geschrei und brutalem Gebrüll zuerst gnadenlos nach vorne, nur um plötzlich die Bremse zu betätigen und den Moloch ‚Keeping Peace‚ noch einmal gemächlicher, hymnischer und mit immenser Bestimmtheit sowie dem selben mächtigen/rohen Sound wie beim Debütalbum wachsen zu lassen.
Man darf über die 5 Minuten Spielzeit letztendlich genauso oft an Caleb Scofield, Cave In oder Zozobra wie an atmosphärischere Botch oder weniger vertrackte Coalesce denken. Imposante Referenzen sicherlich, denen Jungbluth aber standhalten: ‚Keeping Peace‚ steht den zeitgleich aufgenommenen Albumsongs in keinster Weise nach. Dass die pausierenden Alpinisten hier also nur einen Song auffahren lässt sich locker verschmerzen: den der hat es ganz ehrlich absolut in sich.

Callow müssen da beinahe zwangsläufig den Kürzeren ziehen, laufen letztendlich mit klarem Rückstand aber doch durchaus souverän ins Ziel- dazu mit einer ähnlich kompakten Spielzeit, obwohl das Quartett hier doch zwei Songs mehr auffährt als Jungbluth.
Der energiegeladene Opener ‚Bildungsroman‚ (im ausführlichen Interview auf Idioteq wird leider nicht geklärt, warum die Amerikaner mit einem deutschsprachigen Songtitel aufwarten und Jungbluth in diesem konkreten Fall mit einem englischen) ist ein knallharter Rabauke von einem Crust-Sprengkomando mit tempodrosselnder Pirouette am Ende: ein kurzer, effektiver und schmerzvoller Nackenbrecher. Noch rasanter macht es ‚Dead End Kids‚, wenn Callow ihren melodischen Hardcore mit unaufhaltsamen D-Beat vorantreiben und ihren Emotionen krächzend Luft machen, bevor die Band das Tempo weitestgehend rausnimmt und sich mit dem finsteren Instrumental ‚Warhead‚  als Walze Richtung Doom schleppt. Den nahtlosen Spannungsaufbau über die vollen 7 Minuten Spielzeit der drei Songs nützen Callow somit durchaus homogen und machen auch grundsätzlich absolut nichts falsch – die alleinstellende Handschrift ist auf derartig internationalem Niveau aber doch nicht ausgeprägt genug.

Nörgeln auf hohem Niveau natürlich, knüppelt das Trio aus Philadelphia doch mühelos im Genrerahmen, auch wenn der Aha-Effekt sich trotz der explosiven Performance nicht vollends einstellen will und der Schatten von ‚Keeping Peace‚ eben ein immenser ist.
Neben bedingungslose Euphorie reiht sich hier also durchwegs tolle Genrekost in der Wahrnehmung, rundherum: das muss als eine der mitreißendsten Split EPs der letzten Zeit in jede Hardcore Plattensammlung, da gibt es keine Ausrede (vor allem nicht den superfairen Preis!). Wer für das nach 30 Minuten ausverkaufte blaue Vinyl (100 Stück) zu spät dran war und auch bei den  Versionen in weiß (200 Stück) oder schwarz (700 Stück) nicht mehr zum Zug kommen sollte, für den haben Callow und Jungbluth nämlich nach bekannter Veröffentlichungspolitik trotzdem ein Herz: via Bandcamp beider Parteien gibt es die Split nach Name Your Price-Prinzip. Schöner als dieses phasenweise umwerfende Zusammentreffen in süchtiger Dauerschleife zu konsumieren wäre eigentlich nur die unmittelbare Ankündigung neuer Alben der beiden Bands.

07

Vinyl LP auf Contraszt! Records | Vinyl LP auf Middle Man Records

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