Jungbluth – Part Ache
‚Parth Ache‚ setzt ein Schäufchen nach, wo bereits das superbe, selbstbetitelte Tape im letzten Jahr Speerspitzenpotential in der bedrohlich wirbelnden Grauzone aus Crust, (Post-)Hardcore, Screamo und Metal reklamierte: Junbluth sind zu Recht die Band der Stunde.
Bereits oft genug wurde darauf hingewiesen dass das Münsteraner Trio aus drei Vierteln der großartigen, aber ruhenden (?) Alpinist besteht; dass die Einstellung und Ausrichtung von Jungbluth („We strongly disagree with any pro-views on fascism, racism, homophobia, sexism and any other form of discrimination„) dazu durchwegs Vorbildfunktion hat kann hingegen nicht oft genug erwähnt werden: „Greifbare Realität/oder doch leere Phrasen?“ fragen Jungbluth und landen von Haus aus bei ersterem Punkt, während Julian und Florian sich auf ‚Part Ache‚ die Emotionen aus der gebeutelten Seele brüllen, schreien, bellen, sprechen – mal auf deutsch, manchmal englisch. Klar: Jungbluth sind politisch, engagiert und zeigen Haltung („Damit alles seine Ordnung hat/Fein säuberlich in Reih und Glied/aber heute scheint mir gerade recht/um mal wieder auszuteilen/…/so von Nahem betrachtet/sieht diese Skepsis/ aus wie Selbsthass„), machen aber auch um Selbstreflexion und abstrahierte Innenansichten keinen Bogen: „Doch schon im nächsten Moment/scheint alles vom Wohlgefühl wieder umgeschmettert/und mir bleibt/ der bleierne Geschmack von Nasenbluten„.
Eine Schonungslosigkeit, die sich ohne Reibungsverlust auf ‚Part Ache‚ überträgt, diesen wohldurchdachten, räudigen Malstrom einer Platte – der Qualitätssprung zum letztjährigen Tape ist zudem noch einmal ein eklatanter: Junbluth geben ihren Songs mehr Platz zum atmen ohne dafür die Vorhänge lichten zu müssen, schaffen gleichermaßen mehr Raum für Melodien und griffige Passagen wie für streunende Momente die angepisst in angestauter Wut baden. Schlagzeuger Hendrik gibt dafür neben dem schnepfenden Düsterbass den facettenreichen Duracellhasen mit Benzin im Blut, das kompromisslose Rückgrat dieses dynamischen Radaukastens. Vor allem ‚Wakefield‚ wird so als große Urgewalt zu einem kleinen Genrehit, das rasend groovende ‚These Rare Moments‚ holt in seinem verbrüdernden Finale gar zur hymnischen Geste aus. ‚Zwang Abwärts‚, ‚Looks Like Freedom‚ oder ‚Angebot / Nachsage‚ sind so wendig und dreckig in Szene gesetzte, wie unnachgiebige Finger auf dem klaffenden Riss den Jungbluth über die allgemeine Zufriedenheit ziehen, da darf in ‚These Rare Moments‚ ruhig so etwas wie trügerischer Optimismus aufkommen.
Das Instrumental ‚Au Revoir Tristesse‚ funktioniert als bis in den Post-Metal stierende, atmosphärisch dichte Atempause im Auge des Orkans ‚Part Ache‚; um ihren gnadenlosen Husarenritt spannen Jungbluth dazu einen auffächernden Rahmen mit dem zweiteiligen ‚Crevasse‚: ersteres türmt mutmaßlich Spannungen für eine epische Post-Rockorgie auf, während der Rausschmeißer sich mit abgedämpfter Akustikgitarre und Xylofon über helle Dronefäden aus der vorangegangenen Dunkelheit versöhnlich dem Prinzip Hoffnung entgegenstreckt. Nach knapp 28 Minuten haben Jungbluth damit nicht nur ‚Lichtlærm‚ mal eben übertrumpft, sondern bewerkstelligen auch den Schulterschluss zu internationalen Verwandten wie Oathbreaker, Birds in Row und Co. ohne erkennbare Anstrengung.
Deswegen nebenher gleich noch schöner: die Musik der Münsteraner gibt’s digital zwar nach Name Your Prize-Prinzip, sieht dann aber physisch derart schick verpackt und liebevoll aufgemacht aus, dass man das haptische Vergnügen nicht mehr missen müssen möchte. Es stimmt eben rundum: wo mancherorts der vielzitierte Hardcore-Spirit zum reinen Lippenbekenntnis geworden ist, zelebrieren Julian, Hendrick und Florian diesen noch in erfrischender und aufopfernder Ausführlichkeit.
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