Chastity – Chastity
Seit dem Debütalbum mit Death Lust als waschechtes 2018er-Highlight zeigte die Qualitätsspirale für Brandon Williams bisher beharrlich nach unten. Mit dem selbstbetitelten Viertwerk fängt sich Chastity diesbezüglich nun aber.
Wonach es eingangs allerdings nicht aussieht. Der Opener Jaw Locked ist nämlich bestenfalls ein solider Standard aus der Punkrock-Klasse früher Title Fight-Anhänger, wirkt mit der Handbremse gespielt und auch die Melodie will nicht zünden.
Electrical Tower Dive schlägt im direkten Anschluss zwar grundlegend in die selbe Routine-Kerbe, macht sei Ding aber bereits deutlich besser, holt schmissig ab und bremst hinten raus für einen veritablen Mitsingpart ab, bevor das galoppierende Buzzed and Bleached einmal mehr demonstriert, dass Williams Blink-182 mag – notfalls auch mit ballernden Drums.
Summer All Over Again hat sich im Spannungsfeld aus gediegenen Emo, Alternative Rock und Post Hardcore zu einem waschechten Ohrwurm gemausert, während Teeth On The Curb Looking Up At The World und There Are Missing Years die Komfortzone im leicht shoegazend angestaubten Midtempo klassischer Chastity-Kompositionen finden, gute Melodien anbieten, aber den letzten Kick doch missen lassen.
Einerseits bleibt dabei stets der Eindruck, dass man all dies von Williams nahezu deckungsgleich bereits noch zwingender gehört. Von der emotionalen Wirkungsweise her ist Chastity zudem relativ gleichförmig ausgelegt. Insofern haben die Songs kaum Amplituden, was die pointierte Reibungsfläche angeht, zumal sich die Thematik der Verletzlichkeit in einer harten Welt („It’s a record about struggle, about the missing years. It’s also a thank you to some people in my life“) ausgerechnet bei der Chastity-Premiere einer „fully non-fiction work“ ein ein wenig erschöpft – oder zumindest selbst limitiert.
Doch wo die erste Hälfte von Chastity um seine zentrale Ohrwurm-Single nach und nach weit über das aussöhnende Niveau hinauswächst, zeigt die zweite Seite der Platte sogar ansatzlos auf. Wobei ausgerechnet das aus den Rahmen gelehnte Herzstück Offing die Perspektive korrigiert. Dort zieht Williams sich nämlich zurück und liebäugelt vage mit den selben Vorlieben, die auch MJ Lenderman derzeit praktiziert, und eindringlich die Nostalgie umarmt: „I’m not afraid of what I want / I’m afraid it’s already gone„. Später hebt er „If you’ve got approval, I want it“ auf ein gemeinschaftliches Podest – und von da an bringt er die PS seiner Songs sowieso relativ effektiv auf den Boden.
Das Highlight Life Less Severe erwacht unter einem Sternenhimmel und hat diese sehnsüchtige, melancholische Aufbruchstimmung, für die man Chastity seit jeher liebt. Demons in the House verbindet einen metallischeren Sound an der knusprigen Gitarre mit einem poppigen Singalong samt ctachy Hook und The Dark Circles Around My Eyes zeigt neben dem nötigen Biss auch intensive Energie samt einer Ladung Heaviness, die letztendlich für Free For All schon beinahe im Hardcore-Spirit mündet. Selbst Lake Ontario, das erst Gefahr zu laufen scheint, in der übliche Schiene abzustumpfen, bekommt irgendwann den nötigen Arschtritt, um fast hymnisch zu fetzen.
Dass der elegisch verträumte Abspann Drawing The Sun Back In The Corner Of The Paper seine Gitarren als Slowcore-Ambiente sehr stimmungsvoll, aber auch dezent in der Luft hängend entlässt, kann man danach gut und gerne einer wiedergefundene Rastlosigkeit zuschreiben, die ja auch ihren Teil zum zweitbesten Album der bisherigen Chastity-Diskografie beigetragen hat.
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