Chrysta Bell – Chrysta Bell
Obwohl 2017 auch ihr offiziell zweites Soloalbum We Dissolve erschien, ist Chrysta Bell im vergangenen Jahr vor allem als Schauspielerin anhand ihrer herrlich elegant-ungelenk polarisierenden Darstellung der Tamara Preston im Twin Peaks–Revival einer breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden.
Als Musikerin nutzt die gebürtige Texanerin diese Tatsache nun wenig subversiv – Songtitel wie 52 Hz oder mehr noch Blue Rose (samt versinnbildlichendem Artwork) sprechen eine klare Sprache. Derartig deutliche Anlehnungen hemmen freilich den (ohnedies nur oberflächlichen) Abnabelungsprozess von ihrem Mentor und – [amazon_link id=“B01CUS2OVM“ target=“_blank“ ]euphemistisch[/amazon_link] gesehen – langjährigen Kollaborateur Lynch (den man so seit der 2016er EP [amazon_link id=“B01MCR5NU0″ target=“_blank“ ]Somewhere in the Nowhere[/amazon_link] zumindest abseits stilistisch klischeehafter Trademark-Tropen irgendwo attestieren konnte).
Obwohl sich die multimediale Künstlerin nach der Zusammenarbeit mit John Parish (samt Gastauftritten von Stephen O’Malley von Sunn O))) oder Portisheads Adrian Utley) für das schöne, aber auch austauschbare [amazon_link id=“B0711DFZ1X“ target=“_blank“ ]We Dissolve[/amazon_link] nunmehr für Christopher Smart als betreuenden Produzenten entschieden hat und ihren Sound damit vom soulig verschwommenen Barjazz ein wenig näher zum synthetisch-entrückten Alternative Rock bewegt. Im Roadhouse spielt schließlich mittlerweile ja auch nicht mehr nur Julee Cruise, sondern neue Referenzpunkte wie „The“ Nine Inch Nails, The Veils oder Au Revoir Simone.
Die ätherischen Synthieschwälle von Undertow hantieren also mit einem theatralisch gestikulierenden Gesang, zelebrieren eine Mitternachtspowerballade mit Samthandschuhen, jedoch ohne Power – eine sedative Dramatik betört mit unterschwellig brodelnder Dringlichkeit. Denn Bell streift dem Song einen vorsichtig angetriebenen Rock-Anstrich über, die Rhythmusabteilung um die Bassdrum und Besensnare wird hinten raus griffiger, und legt sich episch leidender im Songcontest-Modus gedacht vor den Schrein der Kate Bush. Doch die Sängerin vollführt ihren Ausdruckstanz in wehmütiger Zeitlupe zwischen This Mortal Coil, London Grammar und den Twilight Singers, zwischen Johnette Napolitano und Beach House. Vor allem aber wiederholt Bell den Refrain hinten raus immer wieder mantraartig, erschafft damit zwar einen gothic-affinen Ohrwurm, wirkt dabei durch die entwicklungsresistebte Repetition übersättigend. Ein Schönheitsfehler, den die versammelten Kompositionen allesamt immer wieder erschöpfen.
Das elektronisch verwaschene 52 Hz schwillt mit mehr Hall an, liebäugelt mit Bowie und hätte als Outlaw-Alternative Rocker mit Synth-Kante durchaus in die Bang Bang Bar gepasst, auch wenn die Nummer nach Schema F funktioniert: Okkult und mystisch funkelnd bastelt Bell mit sinister-harmlos heulender Gitarre an seiner Adaption von Chelsea Wolfe für das Formatradio mit assoziativer Perspektive. Stimmlich überzeugt Bell dabei stets, musikalisch bleibt sie zu unverbindlich. Everest ist danach lange ein rückwärts schiebender Synthieloop, der irgendwann die Handbremse löst und dann verspielt nach vorne treibt. Die Gitarre dängelt über den leger laufenden Rhythmus, doch wieder entwickelt sich auch dieser Song einfach nicht, badet in seiner ätherischen Stimmung und wiederholt seine Muster langweilend.
Am besten gelingt – obwohl sich Bell auch hier einmal mehr nur um sich selbst dreht – ausgerechnet der die Discografie am typischsten bedienende Schlusspunkt. Blue Rose deutet billige Keyboardstreicher an und gibt sich mit der niveauvoll perlender Gitarre dreampoppiger, wäre gerne gespenstisch wie Marissa Nadler und schwelgt dafür in elegisch sehnsüchtiger Grazie.
In diesen vertrauten Gefilden kommen die Tugenden des „most beautiful alien ever“ am besten Geltung und verdeutlichen, warum sich Lynch von Bell als Muse angezogen fühlt. Sie führen allerdings auch vor, weswegen jemand die Musikerin abseits der Lynch’esken Komfortzone mehr herausfordern, oder den etablierten Wohlfühbereich zumindest weniger gemütlich ausschmücken müsste. Es fehlt einfach ein kreativer Reibungspunkt, der das vorhandene Potential auf originärere Art provoziert, anstatt es immer nur mit streichelndem Fetisch sinnlich und verführerisch auszuleuchten.
So versöhnlich Blue Rose damit nichtsdestotrotz entlässt, so einnehmend die EP im Gesamten inszeniert sein mag – geschickt arrangierte Texturen schimmern in der fachmännischen Produktion, die gesangliche Performance zeigt Klasse, das solide Songwriting ist effektiv veranlagt, die Melodien und Hooks sitzen in Singlequalität – so sehr sind die versammelten 18 Minuten dann dennoch vor allem maßgeschneidertes Produkt.
Dieses krankt an ähnlichen Mankos, die bereits die restliche Diskografie der 40 Jährigen immer wieder beeinträchtigten. Chrysta Bell bleibt gefühltermaßen mehr als alles andere eine kreativ wenig emanzipierte Projektionsfläche, deren Songs stets etwas zu unnatürlich und hüftsteif die konstruierten Stilisierungen von Ideen und Vintage-Gesten bleiben, mit einer gewissen Unnahbarkeit und Überhöhung faszinieren, jedoch eben nicht berühren.
Diese kunstfigurartige Diskrepanz mag zuletzt im Twin Peaks-Universum durchaus hypnotisch funktioniert haben, auf Platte sorgt sie aber für eine emotionale Distanz, die jedwede stilvolle Anmut nicht überbrücken kann.
[amazon_link id=“B07B1QZ5N5″ target=“_blank“ ]MP3 Download auf Amazon[/amazon_link]
1 Trackback