Colter Wall – Little Songs
Entgegen vieler seiner Country-Kollegen lehnt sich Colter Wall nicht aus dem Fenster, sondern kehrt stilecht vor der eigenen Haustüre: ohne Überraschungen bietet der Grower Little Songs typisch wertkonservative, zeitlos am Boden bleibende Western-Klasse.
Tatsächlich geht der Kanadier mit diesen zehn neuen, zumindest in seiner Generation weiterhin kaum an Authentizität zu überbietenden Songs, sogar lakonisch einen Schritt zurück, sinniert mit der ihn seit jeher ambivalent belastenden Tour-Unstetigkeit im Rücken über sein Zuhause, und analysiert auf einer noch persönlicheren Ebene als bisher die damit einhergehende Einsamkeit: „These songs were written over the last three years. I penned most of them from home and I think the songs reflect that.“ Home, das ist für Wall immer noch Battle Creek, Saskatchewan, über das erzu Mandolinen und elektrischer Verstärkung im ausnahmsweise rockiger angelegten Bandsound des Titelstücks eben singt: “You might not see a soul for days on them high and lonesome plains. You got to fill the big empty with little songs.”
Passend dazu geht der 28 jährige vorerst auch nicht auf Tour – obwohl er derzeit einen Status erreicht hätte, der in den USA für ausverkaufte Arenen sorgen würde.
Wie schon für Western Swing & Waltzes ist Wall (Vocals, Acoustic Guitar) für die Aufnahmen an die Grenze von Wimberly, Texas in die Yellow Dog Studios gegangen, um das Material mit Patrick Lyons als Produzent (dazu zu hören an: pedal steel, mandolin, electric bass, archtop guitar, Dobro, flatpick acoustic guitar, fretted Dobro, baritone guitar, electric guitar, electric mandolin, classical guitar, tic tac bass) sowie Jason Simpson (bass), Jake Groves (harmonica), Russell Patterson (drums) and Doug Moreland (fiddle) aufzunehmen.
Das Ergebnis sind 33 Minuten, die auf ohne aus dem Gesamtgefüge herausragende Einzelsongs auf den ersten Blick unauffällig und gar unspektakulär erscheinen, so angenehm zu hören in einem schön sequenzierten, weil kurzweilig und variabel bleibenden Fluss über eine regelrecht traditionelle, unmoderne Zeitlosigkeit ihre Tiefenwirkung entfalten – und dazu über einige der besten Texte Colters die Grundthematik des Albums immer wieder auf fatalistisch-prosaische Weise ergründet.
In Prairie Evening/Sagebrush Waltz lehnen sich entspannte Gitarren Gitarren auf ein minimalistisches Schlagzeugspiel, Wall erzählt im tiefen Bariton-Singsang auf den Spuren von Johnny Cash, bevor der Opener zur Mitte hin dann den romantisch flimmernden Twist zum bedächtig schwingenden Walzer fidelt, wo sich auch das betörende For a Long While auf so viel sanftmütiges und behutsames Spiel verlassen kann. Das Hoyt Axton-Stück Evangelina hat als einer von zwei Cover-Songs der Platte einen entwaffnenden Swing, derweil The Last Loving Words als friedliches Tänzchen um das Lagerfeuer den in sich gehenden Appendix bietet.
Anderswo werden die Impulse demonstrativer gesetzt. Standing Here agiert flott und beschwingt, die Ian Tyson-Adaption The Coyote & the Cowboy schunkelt in gut aufgelegter Nonchalance und fast humoristisch-flapsigem Anstrich, während Cow/Calf Blue Yodel salopp schunkelnd jodelt. Honky Tonk Nighthawk hat ein Americana-Bar-Feeling und die Attitüde von Wall destilliert: „I don’t care what’s cool or where it’s at/I’m congregating at the places/Where the folks dress in boots and hats.“
Am essentiellsten ist für das Wesen von (dem an dieser Stelle mit Fanbrille zwischen den Punkten aufgerundet bewertete) Little Songs aber womöglich das grandiose Corralling the Blues, mit Mundharmonika und Dobro durch eine universelle Nostalgie schippernd, ein bisschen Weise in der Intimität der Einsamkeit lächelnd: „I might get to thinking/That I might could quit drinking/ But then what else is there to do/ But when the day’s at a close/ And I’m all alone/ You can guess where my mind wanders to.“
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