En Minor – When The Cold Truth Has Worn Its Miserable Welcome Out

von am 13. September 2020 in Album

En Minor – When The Cold Truth Has Worn Its Miserable Welcome Out

Weißwein-Trinker Phil Anselmo erweitert sein stilistisch ohnedies schon so breitgefächertes Portfolio: Mit En Minor spielt er auf When the Cold Truth Has Worn Its Miserable Welcome Out mit nölend-raspelndem Organ jene Americana- und Dark Folkrock-Songs voll Melancholie und Leid, die bereits der selbstbetitelte Ausblick im Vorjahr versprach.

Mit Kevin Bond (Gitarre, Bass), Stephen Taylor (Gitarre), Calvin Dover (Keyboard), Joiner Dover (Bass), Steve Bernal (Cello) und Jimmy Bower (Drums) im Rücken, einem unansehnlichen Artwork im Gepäck sowie einem grammatikalisch nicht wirklich korrekten Titel vor Augen, grummelt Anselmo auf When the Cold Truth Has Worn Its Miserable Welcome Out eher grimmig so tief als möglich, als müsste er seine Stimme unter feuchter Erde begraben hervorpressen, oftmals eher sprechend als singend – wer da Mark Lanegans alten Buddy Mike Johnson als Referenz ins Spiel brachte, hatte nicht ganz unrecht.
En Minor richten derweil akustischen Rock für Western-Bars eines apokalyptischen Amerika als Basis ihres akzentuiert inszenierten Sounds ein, entwerfen Bilder von Tod und Verderben, von Beerdigungen und sonstigen morbiden Leidensszenarien.

Gleich das eröffnenden Mausoleums suhlt sich so herrlich schwülstig im Southern Goth, sündig und schwer kriechend. Die Kirchenglocken läuten zu einer ausgemergelten Gitarre und Phils betont dunkel intonierender Stimme, die wohl auch ein bisschen zu bemüht nach wettergegärbter Abgekämpftheit klingen will – als hätten die Neurosis-Brüder Scott Kelly und Steve von Till einen Bastard aus Murder by Death und 16 Horsepower gezeugt, diesem mit depressiver Kante aber allen Optimismus entzogen, während der repetitive Opener mit einer cinematographischer Weite aufgeht, in der Anselmo sich auch selbst als Backgroundchor begleitet, aber stets mahnt: „Just keep it simple“.
In diesem Ambiente funktioniert When the Cold Truth Has Worn Its Miserable Welcome Out absolut einnehmend, zieht stimmig in seine Welt und variiert den MO erst durchaus fesselnd an der Stange halten: Blue weckt mit seinem treibend-federndem Schlagzeug und der dängelnden Gitarre auf, On the Floor schunkelt mit klarer Sicht, Orgel und orchestralen Texturen, bevor Dead Can’t Dance nonchalanter, nun ja, eben doch tänzelt und Love Needs Love vor seinem flimmernden Finale minimalistisch am Zeitlupen-Lagerfeuer verweilt.

Allerdings machen es sich En Minor schon hier, aber viel mehr noch im späteren Verlauf der Platte, einfach zu oft in der erzeugten Atmosphäre bequem, stellen die Stimmung über das Songwriting, wenn etwa selbst ein potentiell aufzeigendes Hats Of mit zwielichtigen Motiv und hängen bleibender Hook ohne jede Entwicklung in die Beiläufigkeit abzudriften droht.
So verschwimmen die Szenen der Platte irgendwann gleichförmig – da kann Warm Sharp Bath Sleep noch so sehr die Gruft lichten und This Is Not Your Day vage mit der Aufbruchstimmung flirten, während Black Mass den Exzess in der Bar andeutet, doch wie alles hier niedergeschlagen bleiben möchte.
Das macht das gute When the Cold Truth Has Worn Its Miserable Welcome Out in seiner Komfortzone zu keinem schwachen Album, keineswegs – aber eben primär doch vor allem erst einmal nur zu einer potenten Startrampe für kommende Ausflüge des Anselmo-Kollektivs.

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