Iggy Pop – Post Pop Depression

von am 22. März 2016 in Album

Iggy Pop – Post Pop Depression

Knapp 40 Jahre nach The Idiot und Lust for Life dreht Iggy Pop unter dem revitalisierenden Einfluss von Josh Homme eine Ehrenrunde, die ihm erstmals in seiner Karriere bedingungslos die Gunst des Zeitgeistes zuzusichern scheint: Obwohl vor allem bis über beide Ohren im unverkennbaren Queens of The Stone Age-Sound verankert, schöpft das chamäleonhafte ‚Post Pop Depression‚ sekundär auch typische Songwriting-Anlehnungen an David Bowie ab.

Schon der erste Vorbote ‚Gardenia‚ entpuppte sich da keineswegs als KyussCover, sondern als direkt referenziell an Osterbergs Berlin-Mentor angelehnte Liebesbekundung, devot torkelnd. Wahlweise konnte man das durchaus als alterslos abgehangenen Rock mit einem bis zur Abtötung der Nerven repetierten Ohrwurm-Refrain der hartnäckigen Extraklasse wahrnehmen und als Lässigkeit in destillierter Hitform, die allen Iggy Pop-Platten seit Dekaden (und vor allem in den letzten Jahren) so stark herausgeschwitzt abging.
Dass Bowie selbst derartige Kompositionen auf dem altersmilden ‚The Next Day‚ deutlich besser hinbekommen hatte (und auf ‚Blackstar‚ ohnedies in ganz anderen Sphären unterwegs war) spielte dann trotz aller Nähe zum Altmeister nur eine untergeordnete Rolle. Weil der The Stooges-Wüterich eine so namhafte wie latent nach Lederjacken-Coolness miefende Riege an credibilen Szene-Rockern als Backingband um sich versammelt hatte und sein bisweilen gemütlich gewordenes Genöle damit nahtlos in den trademarkgeschützten, sexy Wüstenpsychose-Sound des Josh Homme verpflanzte, verfiel das Feuilleton postwendend in kollektive Schnappatmung – da konnten die hinter einer aufgesetzt lässigen Gefährlichkeit ihre bieder schunkelnde Gangart kaum zu verbergen wissende 4 Minuten von ‚Gardenia‚ noch so gefällig langweilend aus der zweiten Hüfte rocken.

Dass ‚Post Pop Depression‚ nun im gesamten eine ähnlich wohlwollende Puderzucker-Meinung wie die vorauseilende Single in den Allerwertesten geblasen bekommen wird sollte da eigentlich die logische Folge sein, letztendlich aber eine nicht gänzlich unverdiente: Denn unbedingt spannender mag der sinister funkelnde, mit hängender Kippe durch die spärlich ausgeleuchtete Seitengasse schlendernde Rock der Gang um Iggy zwar auch in weiterer Folge nicht werden – seine Atmosphäre, Klasse und Qualitäten spielt die im Idealfall kongenial sitzende Kooperation von Iggy, Josh und den beiden grandios zweckdienlich im Hintergrund die Drecksarbeit erledigenden Matt Helders (Arctic Monkeys) und Dean Fertita (Queens of the Stone Age, The Dead Weather) aber anhand einiger Highlights immer wieder über den installierten Erwartungshaltungen aus und wächst eher mit jedem Durchgang, als dass sie sich abnutzt. Noch besser: ‚Post Pop Depression‚ hält nunmehr über die gesamte Distanz ein starkes Songwriting-Niveau ohne eklatanten Ausfall, und die von Homme maßgeschneiderte Produktion sitzt dazu trotz Lederhaut faltenfrei.

Die vier im Kollektiv funktionieren nämlich stilistisch, ästhetisch und atmosphärisch nahtlos, bringen sich natürlich auch alleine als gegenseitige Nutznießer ideal in Position: Auf der einen Seite Iggy, dem eine Blutauffrischung, der wohl auch jüngeren Käuferschichten nicht abgeneigt sein werden, aus künstlerischer Sicht Fokus bringt und damit enorm gut tut, während das Trio Helders, Fertita und Homme andererseits wohl nichts dagegen hatte, sich eine derart prestigeträchtige Kooperation in die Vitae setzen zu können und im besten Fall als Impulsgeber eines zweiten Legendenfrühlings mitzuwirken – der hiernach durchaus in die Wege geleitet scheint. Die Symbiose der vermeintlichen Supergroup im Gesamten entfaltet sich so durchwegs stimmig und wirkt nicht um des Namedropping Willens erzwungen, sondern durchaus wie eine intuitiv bei Osterbergs ‚…Like Clockwork‚-Lieblingssongs (‚The Vampyre of Time and Money‚ und der Titelsong) ansetzende Fingerübung – vor allem für Homme, der die Zügel zu jedem Zeitpunkt in der Hand hält.
Bisweilen gar straffer, als es Iggy gut tut. Denn gefühltermaßen ist das am Cover proklamierte Gemeinschaftsergebnis ohnedies nur nominell ein waschechtes Iggy Pop-Album – die Handschrift von Homme (der wieder einmal die Zusammenarbeit mit einem Idol abhaken darf, ohne sich zurückzunehmen) aber schon zu aufdringlich und ‚Post Pop Depression‚ damit tatsächlich eher ein Queens of The Stone Age-Werk der entschlackten Art mit Osterberg in der Auslage.

Spätestens wenn der 68 jährige im Funken vermissen lassenden Plätscherer ‚In The Lobby‚ nämlich bemüht im spitzen Exzess-Schrei auszubrechen versucht oder im westernbimmelnden High Noon ‚Vultures‚ gar zu handzahm ausgelassen agierend bleibt, zeigt sich, dass es Pop mittlerweile mitunter an Bissigkeit und der nötigen Energie mangelt, um den Songs abseits einer polarisierenden Theatralik stimmlich die führende Prägnanz zu geben; der nötige Druck fehlt, um sich Hommes Hoheitsgebiet tatsächlich einzuverleiben.
Zu oft wirkt Iggy damit nur als institutioneller Leitwolf, wie ein im juvenilen Strudel vorneweg Mitgerissener und in den schwächeren Augenblicken gar wie jemand, der die von Homme bereit gestellten, verrucht anziehenden Kompositionshüllen schlichtweg nicht aus der Reserve locken kann.
Mit konstant brillant verinnerlichtem Groove  sind etwa das launige auf und ab schnoddernde ‚Break Into Your Heart‚ mit seiner verhaltenen Scott Walker-Dramatik oder der im Streichermeer und souligen Damen-Backgroundgesang aufgehende (‚I Was Made for Loving You‚-)Disco-Galopp ‚Sunday‚ so vor allem durch und durch routiniert nach Hause gespielte, extrem solide auftretende Souveränitäten, die ihre Stärken aber eben auch nur unbefriedigend abschöpfen, weil sich die Kompositionen selbst im Unmkehrschluss zu selten in die Unberechenbarkeit wagen: Ein bisschen wirkt das immer nach überraschungsarmer Komfortzone, nicht räudig oder kaputt genug, ohne dynamische Tempovariationen trotz seiner Homogenität nicht so zwingend, wie es sein könnte und müsste – wo ist die Raw Power?

Post Pop Depression‚ funktioniert jedoch immer dann exzellent, wenn sich die dominante Rolle Hommes besser ausbalanciert, sich die Gewichtungen generell verschieben, idealer- und paradoxerweise ohnedies in eine weniger unverrückbare musikalische Richtung. Dann trumpft Iggy nicht nur stimmlich adäquater auf, auch die ohnedies phasenweise erstaunlich prägnanten, skurrilen, humorvollen, fiesen, mit dem Alter und der eigenen Legende hadernden Texten reüssieren am nachhaltigsten.
Das trügerisch wankende, dramaverliebte ‚American Valhalla‚ stackst dann etwa mit stotternden Rhythmus zu luziden Reflexionen („Where is American Valhalla?/Death is the pill that’s hard to swallow/Is anybody in there?/And can I bring a friend?/I’m not the man with everything/ I’ve nothing, but my name„), während das unkomplizierte, betörend leichtgängige ‚Chocolate Drops‚ ohnedies über allem steht. Weil diese relaxte Unangestrengtheit von einem Song, der in eine ähnliche Richtung schielt wie das von Homme produzierte Humbug wieder einmal vorführt, wie gut dem wie Wachs in den Händen kreativer Masterminds agierenden Iggy relativer, schmissig machender Pop einfach steht.

Gerade ein lupenreiner, überragender Instant-Hit anstelle der mäandernden Schwächephasen von ‚Post Pop Depression‚ hin zu ‚German Days‚ (da ändert auch der Bowie‚eske Berlin-Nostalgie-Textansatz wenig, wenn abgesehen von den schnurrenden Streichern alles Robot-Rock-mäßig klingt, wie gefühltermaßen bereits alles auf zumindest den letzten 3 Alben mit Homme-Beteiligung) hätte das siebzehnte Studioalbum des Stooges-Frontmannes dann qualitativ wohl auch tatsächlich auf jene Ebene gehoben, die manch einer im prolongierten Discographie-Abschluss des Proto Punkers auch so hört.
Wenn Pop im grandiosen Closer ‚Paraguay‚ wie ein giftiges Pendant zu William Shatner sprechsingt und Homme den Backgroundgesang bis in die erste Reihe steuert, bleibt zwar der Knockout-Moment aus und auch die Frage offen, ob der Queens of the Stone Age-Boss anhand von ‚Post Pop Depression‚ nicht eventuell doch besser aussteigt als Iggy selbst; fraglos hingegen ist, dass die Konstellation für den Unkaputtbaren ähnlich fruchtbar ist wie die Zusammenarbeit mit den Asheton-Brüdern, mit James Williamson oder eben David Bowie – obwohl am Ende zwar kein Klassiker, aber eine durchwegs gute, klassisch zeitlose Rockplatte steht.
Und wenn man sich hiernach paradoxerweise erst recht eine weitere Zusammenarbeit von Pop und Homme – zu ausgewogeneren Konditionen -wünscht, ist ‚Post Pop Depression‚ nämlich ohnedies das stärkste Solowerk von Iggy seit mindestens ‚American Caesar‚. Sollte hiernach aber nichtsdestotrotz tatsächlich Schluss sein, wird es insofern nicht das erste Album sein, für das man sich an Pop erinnern wird – aber jenes, das ihm einen würdigen Abschied auf verdient hohem Niveau ermöglicht hat und den Kreis zu seiner Karriere ab 1977 adäquat schließen würde.

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