Japanese Breakfast – Sable

von am 9. Oktober 2021 in Soundtrack

Japanese Breakfast – Sable

Album-Glanztat, Autorinnen-Debüt und jetzt auch Soundtrack-Komponistin: Michelle Zauner alias Japanese Breakfast fügt ihrem Wahnsinnsjahr 2020 mit dem Videospiel-Score Sable ein weiteres Kapitel hinzu.

Glider, diesen in unwirklicher spiritueller Anmut sanft wogenden, seine Vocals in verwehenden Loops der Greifbarkeit entziehenden Ohrwurm zwischen Ambient- und Dream Pop, bezeichnet Zauner als ihren bisher besten Song. Darüber kann man angesichts des Materials auf ihrem dritten Studioalbum freilich diskutieren, nicht jedoch streiten: dafür ist die erzeugte Schönheit von Glider einfach zu imaginativ und tiefenwirksam, ohne die Konturen am handfesten Hit festmachen zu wollen.
Trotzdem nähert sich Sable eingangs also noch kurz dem Wesen von Jubilee an, und sei nur, weil Zauner ausnahmsweise zum Mikrofon greift: Main Menu fungiert als balladeskes Klavier-Intro, das elegische Better the Mask wird dort noch Streicher und das Gefühl einer erhebenden Abspann-Epik addieren und wachsen.
Abseits davon kommt das Organ der 32 jährigen allerdings nur noch im melancholischen Explorations (Ruins) vor, als klangmalendes Element der Textur.

Sable transportiert die Handschrift von Zauner in Landschaften aus ätherisch wandelnden Synthies und elektronischen Loops, immer wieder tauchen warme Gitarren wie Oasen auf, viele Nummern folgen als groovig-krautige Tempelmusik einer hypnotischen Rhythmik, die mit minimalistischen, aber nicht zu simpler Percussion geduldig ihre Muster in Schleifen wiederholen.
Das Ergebnis ist ein Soundtrack, der atmosphärisch auch ohne Kenntnis des Spiels das Kopfkino stimmungsvoll auf Wanderung schickt, ruhig fliesend eine zärtliche, meditative Begleitung im Hintergrund bietet, friedlich und ätherisch. Ahnungen von fernöstlichen Nuancen oder New-Age-Schattierungen bleiben vage, ohne beliebig oder willkürlich zu wirken.
Am Stück über knapp eineinhalb Stunden konsumiert ist dabei vielleicht nicht jeder Moment fesselnd, mit dem Maßstab eines regulären Albums bewertet hätte ein wenig Destillation die  Prägnanz gefordert. Ohne schwache Szenen driftet der Score hier und da in die Nebensächlichkeit ab, doch hält Zauner die so homogene Wanderung von mit kohärenten Impulsen und Elementen interessant. Wie fein sich die Klangfacetten an die Umgebung anpassen und variabel bleiben, lässt sich etwa an der Gegenüberstellung von dem düster-neugierigen Nebelhorn Exploration (Ships) und dem funkelnden und erblühenden Explorations (Nature) nachvollziehen.

Vom unheimlich scheinenden, aber nicht gefährlichen Anime-Organismus Pyraustas Ruin bis zur mit ausnahmsweise elektrischer Gitarre sinnierenden 80er-Softrock-Illusion Redsee (Day) ist es insofern auch keine Odysee, sondern ein wohltemperierter Weg, der letztendlich in Abandoned Grounds zu angenehm ausklingen wird, wie die stille Erinnerung an die Emotionen der zweiten Bon Iver-Platte.
Zumal der schöne Fluß von Sable überhaupt sehr schlüssig geraten ist, indem manche Passagen unterschiedliche Facetten mit geeinten Schwerpunkten pflegen, etwa dominanteren Klavierpassagen, während die Gangart flächiger wird und die Rhythmik nahezu vollends aus der Perspektive verschwindet. Hakoa (Night) ist dann eine traurige Skizze und Sansee (Day) ein Amalgam aus Eric Satie und Austin Wintory, bevor Sansee (Night) ein wenig näher zu Jon Hopkins tendiert.
Stets ist das eine Symbiose aus episch erhebenden Subtext und relaxt-unaufgeregter Ausstrahlung, das Gefühl von Abenteuer und Freiheit hat hier etwas versöhnliches, die Exotik etwas vertrautes und andersweltartig-universelles. Man fühlt sich auf dieser Reise auch ohne ikonische Szenen heimelig, auf passive Weise umarmt, und der verschwommende Nachhall wird einen noch lange begleiten.

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