Joan as Police Woman, Vida Noa [30.03.2018: PPC, Graz]

von am 31. März 2018 in Featured, Reviews

Joan as Police Woman, Vida Noa [30.03.2018: PPC, Graz]

Die elementaren Erkenntnisse des Abends: Joan Wasser ist nicht nur eine großartige Musikerin, sondern auch eine umwerfend amüsant mit dem Publikum interagierende Entertainerin; das Material von Damned Devotion bezaubert in der Live-Umsetzung noch einmal mehr, als nicht ohnedies bereits in der Studioversion; und Veranstaltungen nahtlos hinter einem Konzert anzusetzen, ist einfach eine Sünde.

Mit knapp über eineinhalb Stunden Spielzeit kommt Joan as Police Woman zwar ohnedies der vielleicht idealen Setlist-Länge nahe, aber das Grazer Publikum muss dennoch auf eine (auf dieser Tour an sich übliche) Soloperformance von Forever and a Year als erste Zugabe verzichten: Wild at Heart soll als Wochenend-Party schließlich halbwegs pünktlich beginnen können.
Was angesichts des ohnedies „nur“ recht gut gefüllten PPC aus ökonomischen Perspektidaven vielleicht noch ansatzweise nachvollziehbar wäre, an einem Osterwochenende in einer Studentenstadt dann aber doch eher unnötig und ärgerlich erscheint: Statt der relativen Leere zwischen Konzertende und anlaufenden Fortgehabend wäre da ein Song mehr durchaus wünschenswert und möglich gewesen.
[Angesichts einer nicht neuen Problematik ist das sogar ein relativ marginaler Einschnitt, der sich noch verschmerzen lässt und angesichts der angesetzten Beginnzeiten nicht die Befürchtungen erfüllt, dass man (wie etwas seinerzeit bei Dredg) aufgrund einer derartig knappen Planung im PPC sogar auf einen ausführlicheren Teil der Show verzichten hätte müsste].

Schade also, zumal beim (an dieser Stelle oft gescholtenen) Veranstaltungsort ansonsten alles zufriedenstellend abliefert – gerade der Sound überzeugt diesmal mit einem souveränen, mal kraftvollen, mal intimen, immer aber akzentuierten Klangbild, das mühelos die Spannweite aus Laut und Leise meistert.
Auch angenehm: Wasser erkundigt sich zwar vor einer unter die Haut gehenden Darbietung von Honor My Wishes augenzwinkernd, ob es wohl in Ordnung wäre, einen besonders ruhigen Song zu spielen (ist es!), doch hätte sie dies gar nicht unbedingt müssen – die Disziplin der Publikums kennt zu diesem Zeitpunkt des Abends keinen störenden Laustärkepegel durch etwaige Gespräche mehr, der die Schönheit der Musik in den Momenten ihrer Einkehr drangsalieren würden.
Das ist während der Darbietung von Vida Noa im Vorprogramm noch anders. Ein Gutteil der Masse unterhält sich hier respekt- und rücksichtslos, begleitet die Akustik-Performance der Grazerin phasenweise ungeniert. Das ist schade, weil der Singer-Songwriter-Folk von Vida Noa zwar wenig originär veranlagt etwas zu austauschbar funktioniert und neben den bedeutungsschwer daherkommenden Ansagen zwischen den Songs bisweilen auch an seinen plakativen Lyrics krankt, mit einer unaufdringlich stillen Authentizität jedoch nichtsdestotrotz eine einnehmend intime Atmosphäre zu kreieren weiß.

Als Steilvorlage für Joan As a Police Woman ist Vida Noa an diesem Abend so oder so ziemlich gut positioniert, eröffnet doch auch die 47 jährige ihr Set mit Wonderful betont zurückgenommen (wobei das organische Schlagzeug und die damit verbundene physischere Präsenz eine ganz andere Note als die verhuschte Elektronik der Studioversion erzeugt), bevor der neue Hit Warning Bell umso verschmuster in eine von Damned Devotion dominierte Setliste führt, in der die Gitarre erst spät – um Talk About it Later herum – eine prominentere Rolle zu spielen beginnt. Mit bis zu drei Synthies und einem fast schon unglaublich präzise in die 80er blickenden Outfit (was für eine Optik!) und Groove bettet die im Einheitslook auftretende Band (von der man jackentechnisch für € 150,- am Merchstand Teil sein kann) die Songs der stimmlich großartig zaubernden Wasser in weichschimmernde Watte.
Die Stimmung ist dabei von der ersten Sekunde an vor und auf der Bühne großartig. Wasser und ihre grandiosen Mitmusiker (Jared Samuel, Eric Lane, Jacob Silver und – für Nostalgiker einmal mehr besonders fein – Jeff Buckley-Kumpel und dem hauseigenen Langzeitschlagzeuger Parker Kindred) sind bestens aufgelegt und trumpfen mit enormer Spielfreude auf, lassen sich aber auch vom enthusiastischen Publikum anstecken.
Angeblich kein fremdes Bild für Wasser: Bei ihren Konzerten ginge es immer zu wie auf Hardcore-Shows, die sie irgendwann bremsen müsse, bevor sich die Leute die Zähne ausschlagen. Bis rund um The Silence aber tatsächlich merklich ausgelassen tanzende Bewegung in die Runde kommt, ist das vor allem ein andächtig gefeiertes Popfest mit begeisterdem Applaus und köstlichen Zwischenansagen.

A different Kind of party. (…) some kind of Hardcore.“ konstatiert Wasser irgendwann und spielt Highlights wie Eternal Flame, Valid Jagger oder das durch eine krönende Ambientklammer ausgemschmückte I Don’t Mind mit einer hinreißend abgeklärt-entwaffnenden Nahbarkeit, lässt sich darüber hinaus nicht nur in die Karten ihrer Songs blicken (und verstärkt etwa den emotionalen Gehalt des ihrem Vater gewidmeten What Was it Like) sondern auch zu einem ausgedehnten Sprachunterricht seitens des Publikums in Sachen „Graz“ hinreißen, kreiert mit dem verirrten Abgang nach dem Ende der regulären Setliste ihren eigenen Spinal Tap-Moment und kann sich für das überragende The Magic (eigentlich der bessere, weil soviel erschöpfender und intensiver nachwirkende Schlusspunkt als die gute Coverversion von Prince’s Kiss) nach einem an absurder Spontanität kaum zu überbietenden „Honkey Tonk Woman!“-Zwischenruf nur mühsam am Riemen reißen, um nicht gemeinsam mit ihrer immer wieder aufs Podest gestellten Backingband in einen kollektiven Lachkrampf zu enden: Der Unterhaltungswert des Graz-Gastspiels der Joan Wasser ist einfach enorm, die Interaktion zwischen Musiker und Publikum ohne Distanz, offenkundig hat hier jeder seinen Spaß.
Als sich Joan also erkundigt, ob man Kontakt zu den Menschen in Wien habe („Do you speak with them…or is it more like: Fuck Vienna?“) um die Kunde weiterzutragen, dass diese doch zum Konzert am kommenden Abend in der Ottakringer Brauerei vorbeischauen möchten, kommt man ihrer Bitte an dieser Stelle nur allzu bereitwillig nach: Joan as Police Woman im Allgemeinen und diese Tour im Speziellen sollte man sich weder in Wien, noch sonstwo entgehen lassen!

Setliste:
Wonderful
Warning Bell
Tell Me
Eternal Flame
Honor My Wishes
What Was it Like
Steed (for Jean Genet)
Rely On
Valid Jagger
Damned Devotion
Human Condition
Talk About it Later
Silly Me
I Don‘t Mind
The Silence

Encore:
The Magic
Kiss

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