King Gizzard & The Lizard Wizard – Live in Adelaide / Paris / Brussels ’19

von am 26. Januar 2020 in Livealbum

King Gizzard & The Lizard Wizard – Live in Adelaide / Paris / Brussels ’19

So exzessive Vielveröffentlicher King Gizzard & The Lizard Wizard auch sein mögen – Livealben haben im Repertoire der Australier bisher gefehlt. Eine Leerstelle, die die Unberechenbaren nun gleich mit drei Veröffentlichungen auf einen Streich ausmerzen.

Die simultan erschienenen Aufzeichnungen von Konzerten aus dem Jahr 2019 in Adelaide und Paris sowie dem vier Tage später nachgereichten Gig von Brüssel dienen dabei jedoch vor allem dem Zweck, Gelder für die Bekämpfung der Feuer am Heimatkontinent von King Gizzard & The Lizard Wizard zu sammeln: Die via Bandcamp nur digital vertriebenen Alben kommen finanziell diversen Wildlife und Animal Rescue-Organisatoren zu Gute.
Wo alleine schon der Zweck die Existenz der drei jeweils sehr archaisch, ungeschönt und weit weg vom sauberer Hochglanz aufgenommenen LoFi/DIY-Konzertmitschnitte rechtfertigt, überzeugen die quantitativ aus allen Nähten platzenden Dokumentationen sowieso als Fanpleaser und Machtdemonstration. Trotz Setlist-technisch minimaler Überschneidungen und eines bisweilen dünnen Sounds bietet hier jedes Release nämlich seine essentiellen Vorzüge und individuellen Highlights. Die in den meisten Fällen relativ nahe an den Studioversionen inszenierten Nummern lösen durch die atemlose Energie und Spielfreude der Band eine infektiöse Euphorie aus, machen schlichtweg so verdammt viel Bock.

King Gizzard & The Lizard Wizard - Live in Adelaide 19Live in Adelaide ’19

Aufgenommen am 12 Juli im Therbarton Theatre fällt die bemühte Roboter-Tanzfläche von Cyboogie gerade nach dem (auf jedem der Werke rund um Infest the Rats‘ Nest kreisenden) thrashigen Einstieg der Show aus dem Rahmen. Doch gefühlt lassen nur die proggiger-vertrackten Spacerock-Nummern von Polygodwanaland die Spannungen im Publikum ein wenig abfallen – selbst die Stücke von Fishing for Fishies werden an diesem Abend bereits enthusiastisch aufgenommen.
Das britpoppige Real’s Not Real erfährt hier zudem seine Live-Premiere mit folkrockigem Mundharmonika-Finale und Hot Water installiert die Flöte von Midlife-Gast Adam Halliwell als Element, bevor Sleep Drifter eine ausgedehnten Percussion-Impro spendiert bekommt und The Bird Song als herbeigeklatschte Pianoelegie ergiebig in der Psychedelik badet.
Und dennoch steht all das im Schatten des abschließenden Katamaris Head On/Pill, der als 35 minüges Jam-Monstrum nicht nur die Gesamtspielzeit auf 112 Minuten hinaufschraubt und sich ein Medley aus Hot Water, Altered Beast, Cellophane, Mind Fuzz, Am I in Heaven? sowie Rattlesnake einverleibt, sondern im permanenten Austausch zwischen Flöte und Gitarren auch dem exzessiven Rausch so nahe kommt wie, wie kein anderer Moment auf diesem Schmuckstück.

King Gizzard & The Lizard Wizard - Live in Paris 19Live in Paris ’19

Am Ende von Nuclear Fusion fordern einige Fans am 14 Oktober eine Darbietung von Wonderwall. Die gibt es natürlich nicht, dafür lassen King Gizzard & The Lizard Wizard das eigentlich auf der Setlist eingeplante Organ Farmer aus, bevor sich das Finale der Show mit Am I in Heaven? samt einer Verneigung vor Head On/Pill nach „nur“ 93 Minuten verabschiedet.
Der Adelaide-Gig kann insofern verwöhnt haben, doch bietet auch der Auftritt im L’Olympia Bruno Coquatrix auf der World Tour des vergangenen Jahres so viele Szenen zum Zungeschnalzen.
Crumbling Castle entfaltet seine nonchalante Medieval-Leichtigkeit etwa noch schmissiger als auf der Studioversion, wo die Auswahl der Polyngodwanaland-Vertreter als nahtlose Suite durch ihre feurige Dringlichkeit bestechen und vor allem mit den Stücken von Nonagon Infinity und Gumboot Soup perfekt harmonieren. Generell trumpft die Setlist wie aus einem Guß auf, reiht praktisch Hit an Hit und liefert mit dem kaum zu bändigend aus dem Roadhouse auf den Highway abbiegenden Bluesrock von This Thing einen frühen Favoritensieg – auch, weil die vorletzten Meter des Sets nicht derart knackig fetzen, wie es möglich gewesen wäre.

King Gizzard & The Lizard Wizard - Live in Brussels 19Live in Brussels ’19

Gleich zwei Nächte hintereinander haben King Gizzard vergangenes Jahr in der Hauptstadt Belgiens gespielt. Ihre Show vom 8. Oktober stellt die ersten neun Songs dieses Zusammenschnitts, vom darauffolgenden Tag stammen die Nummern 10 bis 17. Dass das Septett nach Work This Time kurz Rattlesnake antäuscht, nur um dann Robot Stop zu spielen, ist allerdings nicht auf das ansatzlose Zusammenschweißen der beiden Mitschnitte zurückzuführen, sondern eine augenzwinkernde Finte der Band, die zudem die Angriffslust der Performance und Aufnahme ganz gut verdeutlicht.
Nach dem genormten Intro Evil Star weg scheppern die Drums schließlich gnadenlos roh am Protopunk, Stu Mckenzie röhrt nicht nur im giftig ausgebreiteten Superbug wie von Sinnen. Der Groove sitzt superknackig und bietet die eventuell druckvollste Ton-Physis der drei Werke, das Kollektiv scheint beinahe vor Hunger zu platzen und spielt absolut dicht stehend. This Thing klingt so sportlicher und gelöster als noch in Frankreich, funkelt synthieaffiner und baut vor seinem solierend-gniedelnden Abgang gar Bläser (ist das eine Oboe oder ein Fagott? – laut Linernotes nichts davon) ein, wohingegen The Lord of Lightning sich erst viel Zeit lässt, um zu einem Kräftemessen aus Heaviness und Tempo zu werden, nur damit es dann umso kompakt den Stecker ziehen kann.
Am besten gelingt im Kontrast dazu dennoch ausgerechnet die Phase um das bluesig bis in die Keller-Lounge flanierende Sense, das sich gefühlvoll entschleunigt zurücknimmt und Raum zum Atmen lässt, bevor die jazzige Halluzination The Wheel in Trance ihre Purzelbäume dreht oder The Bird Song mehr Interesse daran hat den Classic Rock locker in der Bar zu bewirten, anstatt die Disco-Nuancen herauszuarbeiten. Noch schöner ist da nur, wenn Work This Time als Nachdenklichkeit träumt, nachdem Down the Sink Primus aus der Lavalampen-Perspektive betrachtet. Dass King Gizzard bis zum mit majestätischer Patina schimmernden Retrofuturismus des mächtigen Float Along – Fill Your Lungs den Party-Modus später doch noch umso höher stellen, führt dann auch explizit vor, dass der Tonträger der Brüssel-Gastspiele hinsichtlich des übergeordneten Spannungsbogens die interessanteste Bandbreite aus Laut und Leise abdeckt – und damit wohl als geheimer Favorit der drei Livealben mit minimalem Vorsprung ins Ziel geht.

Beeindruckender ist aber ohnedies, dass, obwohl die Band damit in Summe auf (mehr oder minder) einen Rundumschlag beinahe fünf Stunden an Livematerial vorgelegt hat, King Gizzard & The Lizard Wizard mit dieser Fülle keineswegs übersättigen, sondern über die volle Distanz praktisch mühelos unterhalten, Lust auf Mehr und das Wiederentdecken machen. Dass jede einzelne der drei digitalen Liveplatten zudem Neueinsteigern aufgrund der breit in der umfangreichen Diskografie gestreuten Wurzeln einen idealen Einstiegspunkt in das Schaffen der Australier bietet, ist eine andere gelungene Facette. Weswegen gerne noch weitere derartige Veröffentlichungen folgen dürfen – wenn auch durch weniger dramatische Beweggründe veranlasst.

 

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