Liturgy – As the Blood of God Bursts the Veins of Time

von am 6. Oktober 2022 in EP

Liturgy – As the Blood of God Bursts the Veins of Time

Als Vorboten des in den Startlöchern stehenden 2023er-Liturgy-Langspielers 93696 gibt es mit As the Blood of God Bursts the Veins of Time gewissermaßen den auf drei alternative, kurze Parts segmentierten Titelsong der Platte – neben einem exklusiven Appendix.

Besagtes abschließendes संसार ist die vielleicht größte Überraschung dieser EP: Ravenna Hunt-Hendrix spielt hier mit hellem, wenngleich etwas brüchigem Klargesang eine Quasi-Solo-Dark Folk-Nummer auf der Akustikgitarre samt Klavier-Nuancen, dazu begleiten wie eine Fidel modulierte Synthies (?), was phasenweise gar bis hin Richtung zerfahrene Sigur Rós ziseliert wirkt – nur dass die intime Anmut des Schönklangs hier stets von einem defragmentieren Virus befallen zu sein scheint, der die Wohligkeit mit Störgeräuschen verschiebt.
Ein interessanter neuer Aspekt für Liturgy jedenfalls, den die Band in Zukunft gerne noch weiter erforschen darf.

Repräsentativer für den Origins of the Alimonies-Nachfolger ist vorerst allerdings wohl das, was in den restlichen drei Vierteln von As the Blood of God Bursts the Veins of Time passiert – wiewohl Liturgy auch hier ihren glitchenden Avantgarde Black Metal-Kosmos einmal mehr in einem neuen Licht ausleuchten, sich ein Stück weit neu erfinden, ohne ihre Signaturen zurückzulassen.
93 beginnt mit polternden Drums und markantem Bass (zwei Elemente, die essentiell für das Rückgrad des Sound sind) die einen bimmelnden Schlafwagen in die typisch psychotisch ineinander verschobenen Gitarrenlinie Liturgy’scher Prägung tragen – wiewohl die Saiten hier aber so deutlich dem Djent-Riffing gehorchen wie selten zuvor und gleichzeitig den Groove suchen (mehr noch: der Unterbau ist sogar dezitiert 90er-affinen vom Metal und gedrosselten Hardcore geprägt!), während die Vocals am Screamo orientiert keifen und die Atmosphäre zu einem heroisch aufgebäumt angedeuteten Kanzel führen, selbst in den hirnwürig die Gitarren hyperventilieren lassend Szenen einen beinahe weihnachtlich-stoischen Wahnsinn kontrollieren.

36 bollert dort massiv weiter: Die Trademarks sind rund um eine monotone Stakkato-Kasteiung da, aber eben doch muskulöser, heavier und kraftvoller gepflastert, als man das von Hunt-Hendrix und ihren jeweiligen Erfüllungsgehilfen bisher gehört hat. So zieht sich die walzende Hatz und klimpert am Ende kakophonisch.
696 drosselt das Tempo dagegen erst komplett in den dunklen, vom tief gestimmten Bass empfangenen Trance-Proberaum. Die patentierten Tremolos legen sich mit melancholischem Wehmut darüber und lassen sich von jubilierenden Streichern umarmen, die Dramatik fleht cinematographisch erhaben, bevor die letzten Meter den Kreis zum sinnierenden Beginn von 93 spannen und die Gesamtkomposition als ein rundes, zu Ende gedachtes Ganzes vollenden. Diese neue Inkarnation von Liturgy kündigt mit As the Blood of God Bursts the Veins of Time jedenfalls großes an!

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