Paul Plut [31.05.2018: Herz Jesu Kirche, Graz]

von am 1. Juni 2018 in Featured, Reviews

Paul Plut [31.05.2018: Herz Jesu Kirche, Graz]

Platoo beschenkt zum eigenen fünfzehnjährigen Geburtstagsfest mit einem wunderbaren Konzerterlebnis: Paul Plut interpretiert seine knarzigen Lieder vom Tanzen und Sterben (2017) in der Herz Jesu Kirche mit epochaler Wucht.

Damit bekommt die mystische Urgewalt des plättenden Solodebüts des VIECH-Vorstandes genau jene Bühne, die es verdient: Obwohl instrumental theoretisch reduzierter dargeboten als auf Platte, verstärkt die ehrfurchtgebietende Größe der Kirche die Kraft von Pluts Songs sowohl optisch, als auch klangtechnisch und bietet den archaischen Geschichten damit den adäquaten Rahmen, um ihre Atmosphäre noch eindringlicher zu entfalten: Eine Gitarre und ein Kontrabass (Marie Pfeifer) übernehmen da auch rhythmische Aufgaben, zudem gibt es Tastenunterstützung aus dem Orgelraum (von Nastasja Ronck) – eine imposante Schwere und auch fiebrige Unberechenbarkeit brütet nun noch deutlicher in den beklemmenden Stücken.
Vor allem aber ist es grandios, wie Plut den weit offenen Raum für seine Stimme nutzt, die dynamische Bandbreite aus Laut und Leise exzessiv nützt. Wo er im einen Moment mit dem Reibeisen beschwörend ins Mikrofon brummt, kann er im nächsten plötzlich in die Dunkelheit um ihn herum bellen oder gerade noch hörbar mit beklemmender Intensität über eine sich auftuende Stille flüstern. Wo es schon als Kunst durchginge, in dieser ausufernden Location ohne Band und abgesteckten Bühnenbereich nicht ohnedies verloren zu wirken, fesseln Plut und seine Mitmusikerinnen scheinbar wie selbstverständlich mit einer unter die Haut gehenden Performance.

Unterstützende Showeffekte sind vor diesem Hintergrund auch nicht notwendig, um die Aufmerksamkeit zu binden: Ein so subtiles wie wirkungsvolles Lichtbild aus Blau- und Rot-Tönen (sowie der phasenweise Einsatz einer Nebelmaschine) genügen – Pluts Musik brodelt auch ohne Hilfsmittel. Das undefinierbar stampfendes Gebräu aus Blues, Gospel und Volksmusik bricht in seinen besten Momenten sogar als archaisch dräuendes Gewitter nieder, dem man hier und da höchstens vorwerfen muss, dass die Songs in der inszenatorischen Aufbereitung gefühltermaßen noch erschöpfender geraten hätten dürfen.
Soll heißen: Immer wieder kriecht ein herrlich aneckendes Feedback in die Kompositionen, Plut und seine Mitmusikerinnen kochen die Nummern mit aufbäumenden Charakter hoch, verdichten und steigern sie zum Exzess und der Kakophonie – nur um sie nach dem energischen Climax ein wenig zu abrupt abebben zu lassen.
Freilich Jammern auf hohem Niveau – auch dadurch bedingt, dass der Abend gerne noch länger hätte dauern dürfen. Dabei spart Plut weder an den so packenden und intimen Albumhighlights (das atemberaubend sinister-abgründige Klatsch wird etwa auf orgelschweren Drone gebaut und übersteigt seine Studioversion) noch an einigen B-Seiten. Besonders beeindruckend gerät das überragende Bua, in dem einsame Gitarrenakkorde mit einer engelsgleich-choralen Backingstimme zu einer apokalyptischen Schönheit verschmelzen, die an die majestätische Wucht einer Jessica Curry erinnert, sich aber eine gewisse Ungemütlichkeit bewahrt. Und damit im Grunde viel zu Schade ist, um „nur“ auf der limitiert vertriebenen B-Seiten-Compilation Platz gefunden zu haben, aber durch seine Darbietung auch den exklusiven Mehrwert dieser Veranstaltung unterstreicht.

Dass der Abend ganz generell keine üblichen Konzerttropen bemüht, merkt man übrigens nicht nur an der ehrfurchtgebietenden Haupthandlung, sondern auch am Verhalten des Publikums. Es sind das gesamte Konzert über praktisch keine Handys zu sehen, niemand geht während der Songs Bier holen und vor allem sind da keine Gespräche, die die Musik übertönen müsste.
Frenetischer Applaus brandet zwar nach jeder Nummer auf, dazwischen (und praktisch ab dem Moment, da mit leichter Verspätung das Licht gedimmt wird) herrscht jedoch geradezu andächtige Stille im Raum. Und das, obwohl sich die Reihen in der Basilika doch erstaunlich/verdientermaßen gut gefüllt haben, sogar zusätzliche Stühle aufgestellt werden, um keine Distanz aufkommen zu lassen, und aus Pluts augenzwinkerndem Plan, es sich mit der erwarteten Handvoll an Pilgern um den als Bühne dienenden Altar bequem zu machen, mangels des regen Interesses an einer beispiellosen Messe nichts wird.
(Ob sich ein Abend wie dieser aus rein ökonomischer Sicht dennoch rechnet, darf aufgrund der mutmaßlich kostspieligen Locationwahl freilich bezweifelt werden – was angesichts der hingebungsvoll orchestrierten Liebhaberveranstaltung aber nur umso mehr für die anhaltende Leidenschaft von Platoo spricht.
Insofern auch an dieser Stelle: Besten Dank für derartig originäre Konzerte – und Happy Birthday!
)

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