Vauruvã – Manso Queimor Dacordado

von am 26. September 2021 in Album

Vauruvã – Manso Queimor Dacordado

Vielleicht wird irgendwann der Tag kommen, an dem Caio Lemos in seiner ausufernden Produktivität auch einmal danebengreift – noch ist es aber nicht so weit: Manso Queimor Dacordado liefert viel mehr gewohnt bestechenden Atmospheric Black Metal mit folkloristischer Prägung.

Für Vauruvã, Lemos‘ nächste Spielwiese neben den Soloprojekten Kaatayra und Bríi, wirft der ansonsten abseits einiger Gastbeiträge meistens alles im Alleingang bewerkstelligende Brasilianer sein Können nach Rasha und Extinction Remains für eine weitere ausgewachsene Kooperation in die Waagschale.
It is with great satisfaction that this album is released after a long-distance collaboration with a great friend who is the lyricist and vocalist. It was a challenge to feel other lyrics, talk about their feelings and try to build on that. The result is an encounter.“ lässt der für den gesamten instrumentalen Teil der Platte zuständige Lemos über seine (abseits der Musik übrigens auch im Artwork seine Fortsetzungen findende) Zusammenarbeit mit Bruno Augusto Ribeiro, der für Texte und Vocals verantwortlich zeichnet, ausrichten.
Alleine vom Gesang her unterscheidet sich Manso Queimor Dacordado dann natürlich auch von den bisherigen Lemos-Bands, denn die Stimmbänder werden bei Vauruvã doch mit einer tiefer im Cavernous Death-Höhlensystem agierenden Intonation angelegt, gnarlig röchelnd, fauchend und kotzend und raspelnd.

Lemos strickt die Songs derweil mit der für ihn typischen, brillanten Riffarbeit. Das Songwriting ist gewohnt progressiv, komplex und unberechenbar und dennoch grandios eingängig.
Im Detail lässt sich jedoch feststellen, dass die Gitarren diesmal gefühlt noch ein Stück heroischer angelegt sind, auch Elemente aus dem Power- und Heavy Metal zelebrieren. Gerade in À Sombridão fällt zudem auf, dass die Saiteninstrumente zwar Ideen ohne Ende ausspucken, aber die Drums eigentlich noch eindrucksvoller darin sind, auch jenseits der furiosen Blastbeat-Szenen immer wieder markante Akzente zu setzen und die Kompositionen nicht nur zu verzieren oder zu stützen, sondern auch lenken, heavy polternd und rasend schnell.
Tempo und Dynamik bleiben stets spannend, nachvollziehbar, auch wenn die klangtechnisch deutlicher im DIY-LoFi-Sound verankerten (dabei aber dennoch eine mitteißende Kraft erzeugenden) Kompositionen an sich etwas weniger effektiv zum Punkt finden, als bei den individualistischer kultivierten Kaatayra und den exzentrischer die Stiloffenheit zelebrierenden Bríi.

Deutlich werden diese Schönheitsfehler aber nur beim Blick auf das große Ganze, gerade bei der explizitesten Amplitude der Platte in den Folk: Baféu Vara Fronteiras zupft fingerpickend über die körperbewusste Percussion, die Bewegung ist weich und melodisch, transportiert ein Freiheitsgefühl a la Gustavo Santaolalla. Frustrierend aber ist, dass das Ende zu abrupt geschieht und die sekundenlange Ästhetik der Gesprächs-Momentaufnahme ohne perfekte Studioatmosphäre die so dicht in sich geschlossene Stimmung von Manso Queimor Dacordado unnötig bricht.
Danach aber findet das Duo nicht nur sofort wieder in den zuvor zelebrierten Rausch, sondern flicht das brasilianische Lokalkolorit von nun auch viel homogener und assimilierender in den Black Metal-Sound ein.

Das überragende Jequitibá-eté ist ein besonders manisch stürmendes Ventil mit okkult-mystischen Färbungen und ambienter Atempause samt nahtlosem Übergang zur verträumten Acoustic-Schattierung des Beginns von Baféu no Grande Ocaso – das gewachsene Spektrum vereint die Facetten auf symbiontische Weise, der Fluß ist organisch und zwingend, mutiert über ein somnambules Sample zum vertrackt-thrashigen Morrer de Alegria, das hibbelig frickelt und geduldig lauert, später über einen Tribal-Part zu einer pukigen Hatz schielt.
Das zwölfminütige Os Ipês geht dann auch ein paar Meter im Schaulaufen zuviel, wenn der folkloristisch klatschende Mittelteil die hymnische Sehnsucht des in den Nachthimmel gehobenen Finales auf monolithische Strecken als auf pragmatische Direktheit setzt, überzeugt aber versöhnlicher ausgelegt als zurückgelehnte Nackenmuskulaturtraktion und lässt keine Zweifel offen, dass Lemos hier trotz kleinerer Kinderkrankheiten bereits das nächste heiße Eisen im Feuer hat. Wirklich beeindruckend!

 

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