Wear Your Wounds – Live at the BBC

Converge-Brüllwürfel Jacob Bannon bleibt nach dem 2017er-Intermezzo mit seiner Stammkombo (The Dusk in Us) im fokussierenden Veröffentlichungsrausch mit Wear Your Wounds: Dank einer vollwertigen Band im Rücken offenbart der Mitschnitt aus den Maida Vale Studio der BBC dabei erstmals die tatsächliche Tragkraft seines Liebkindes.
Aufgenommen hat Jake Bannon (Vocals, Bass & Electronics) Live at the BBC mit einer kompetenten Riege aus alten (Allstar)-Bekannten und WYW-Handwerkern: Mike McKenzie (The Red Chord), Sean Martin (Ex-Hatebreed) und Adam McGrath (Cave In) sorgen für die breite Gitarrenfront, die sich über fein verflochtene Texturen hinweg immer wieder mit ambitionierten Sologängen in das Rampenlicht emporsteigt, während Coliseum-Schlagwerker Chris Maggio (Drums & Samples) den vier Songs mit scheppernder Wucht eine neue Form der Prägnanz verleiht.
Der selbstbetitelte Opener beginnt da zwar noch mit einem dünn klingenden Keyboard Piano (nahe an der Studioversion) und seltsamen Synthieeffekt (gar nicht nahe an WYW), entwickelt seinen schleppenden Melancholiesog dann aber schnell entlang der dominanteren instrumentalen Breite. Alleine wenn die Gitarren in Richtung der behäbigen Outlaw-Post Metal-Momente von Converge oder Cave In zu heulen beginnen und das Schlagzeug vertrackte Details auffährt, aber das ganze Gefüge dennoch wie eine subversive Einheit im Dienste der Songs werkelt, ist der Mehrwert von Live at BBC schnell geklärt.
Bannon und Co. finden für Shine danach einen nahtlosen Übergang, fließen fast hypnotisch, und verdeutlichen noch einmal, wie Wear Your Wounds-Songs (gerade auch live) funktionieren: Bedächtig nimmt die Band an Fahrt auf, Bannon dirigiert die Stücke ohne Podest im Mittelpunkt mit nachdenklicher Zurückhaltung hin zum Licht am Ende des Tunnels, aus der Ruhe wächst langsam aber sicher ein sich aufbäumender Mahlstrom, der die Wogen hochtreibt. (Die Dynamik der Mini-Setlist ist übrigens bereits zu diesem Zeitpunkt toll, da sich Live at BBC nach seinem konzentrierten Beginn eine Atempause gönnt, aus der die Dinge mit einer markanten Deutlichkeit neu erblühen können). Die Herangehensweise, wie Wear Your Wounds dabei für Intensität sorgen, mag zwar mehr noch als auf den regulären Alben relativ konventionell geraten sein, wenn die Band sich immer exzessiver in ihre Performance fallen lässt – es impft dem Songwriting jedoch eine umso nachdrücklichere Form der Leidenschaft ein. Aus dem ambienten Slowcore ist endgültig ein metallischer Postrock mit harter Kante und organischem Bandgefühl geworden, man treibt im Jam-Exzess unerbittlich zur Decke greifend, lässt sich von der Spielfreude mitreißen.
Wo speziell das Original von Shine also als stille Geste auf WYW als nachdenklicher Bach plätscherte, wird die Nummer auf Live at BBC zu einem energischen Strom, der sich energisch auslebt.
Auch wenn der MO also meist der selbe ist, entstehen gerade durch die hemmungslosere Performance Freiheiten für die simpel gehaltenen Kompositionen, die live damit eine noch hingebungsvollere Emotionalität destillieren, den Exzess stimulieren: Die schonungslose Dringlichkeit und Unbedingtheit der Inszenierung forciert eine befriedigendere Katharsis, ohne tatsächlich Brachialitäten bemühen zu müssen, die Gitarren solieren vor den finsteren Rhythmen.
Wear Your Wounds verorten sich damit auch näher bei den üblichen Aktionsradien der Deathwish-Spielplätze, entwickeln dort aber dank der umgeschichteten Gewichtungen im Auftreten eine noch größere (auch vertrautere) Sogkraft, als es der geistige Nachfolger von Supermachiner bisher auf Tonträger tat.
Nicht alle Songs müssen dafür derartig in der Länge wachsen, wie das regelrecht episch erstrahlende Shine, legen sich aber dennoch stets ergiebiger in ihre Welten, als die Studioversionen. Die herausragende Non-Album Single Arthritic Heart gebärdet sich so etwa wie eine Kaskade aus mehreren aneinandergereihten Bridges einer epischen Metal-Odyssee, die ihre Spannungen immer wieder neu lädt, letztendlich aber mit Blastbeats und heilen Gitarren ihren Seelenfrieden ausblutet. Und das abschließende Goodbye Old Friend verweigert sich dann doch noch der zu typischen strukturellen Auflösung, lässt die Musiker machen, aber bleibt eine demütige Traurigkeit, die nicht überkochen muss. Weswegen nach 28 Minuten wenig so verlockend wäre, als die Ankündigung einer Europatour – auf der Bühne muss sich dieser elegische Wellengang noch direkter anfühlen, als auf Tondokument.
Dem BBC-Mitschnitt gelingt dennoch auch so eine Seltenheit, indem es die Grenzen von Bannons Spielwiese imposant ausdehnt – und damit vielleicht vorerst ein Fandienst bleibt, dabei aber sogar um das Quäntchen essentieller erscheint, als WYW und Dunedevil.
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